Auch um schneller auf besondere Situationen wie Unfälle und Katastrophen reagieren zu können, gibt es bei Hapag-Lloyd seit drei Jahren einen Newsroom. Wie funktioniert dieser im Krisenfall?
Fotos: Hapag-Lloyd, Thies Rätzke (3x),
Dazu zählte glücklicherweise, dass die Besatzung physisch unversehrt geblieben war und lediglich Con-tainer getroffen worden waren. Da die Struktur des Schiffes unbeschädigt geblieben war, konnte das Schiff seine Reise fortsetzen. Dafür aber war die psychische Belastung der Crew und die aller Kollegen natürlich groß. „Das war eine exzeptionelle Situation“, unterstreicht Haupt, und bedeutete auch einen Paradigmenwechsel.
„Bis dahin waren wir allenfalls mit Piraterie konfrontiert gewesen, auf die man sich – wenn auch nur begrenzt – vorbereiten kann.“ Nun aber griffen Terroristen Frachtschiffe mit Drohnen und Marschflugkörpern an, sie brachten Mannschaft, Schiff und Ladung in erhebliche Gefahr. „Terroristische Angriffe mit schweren Waffen sind ein Paradigmenwechsel in unserer Industrie. Dagegen können wir letztlich nichts ausrichten, schließlich sind unsere Crews unbewaffnet“, betont Haupt.
Es galt, falsche Entscheidungen zu vermeiden. Schließlich führt eine der wichtigsten Handelsrouten durch das Rote Meer und den Sueskanal. Allen war daher bewusst, dass die Konsequenzen einer Umleitung aller Frachtschiffe um das Kap der Guten Hoffnung enorm wären, weil es extreme Auswirkungen auf das Netzwerk und die Flotte hätte. So verlängert sich die Strecke von Singapur nach Hamburg und Wilhelmshaven trotz Full Speed etwa um zehn bis zwölf Tage.
Zudem würde zusätzliche Schiffskapazität gebunden und sich die Umleitung auf Fahrpläne, Häfen und Terminals auswirken. Für die Crews bedeutete es, dass sie länger an Bord blieben, außerdem müsste die Bebunkerung ebenso neu geplant werden wie der Bezug von frischen Lebensmitteln und der Austausch der Crew. Überdies würde der erhöhte Treibstoffverbrauch wegen der erheblichen Umwege viel Geld kosten und zusätzliche Emissionen verursachen. Rechtliche Fragen wären ebenfalls zu klären.
Wohlüberlegt handeln und kommunizieren
Beim ersten Krisentreffen, an dem rund 25 Mitarbeiter teilnahmen, haben wir angesichts der großen Auswirkungen entschieden, uns nach dem Angriff auf unser Schiff erst einmal drei Tage Zeit zu lassen, um die Erlebnisse sacken zu lassen und mögliche Szenarien durchzuspielen“, berichtet Haupt. In dieser Zeit wurden fürs Erste alle rund zehn Schiffe in der Region festgehalten oder mussten ankern. Schließlich gilt: Wer unter Druck steht, macht Fehler.
„Am 21. Dezember haben wir entschieden, dass die Schiffe von Hapag-Lloyd zunächst eine Woche nicht mehr durch den Sueskanal und das Rote Meer fahren dürfen. Das wurde anschließend von Woche zu Woche verlängert und schließlich angesichts weiterer Angriffe zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Bord bis auf Weiteres beibebehalten.“
„Terroristische Angriffe sind ein Paradigmenwechsel in unserer Industrie.“
Nils Haupt, Leiter der Konzernkommunikation
Dabei war das umfassende globale Medieninteresse eine der größten Herausforderungen, denn ob Radio, Fernsehen oder Podcast, ob In- oder Ausland, Wirtschafts- und Lokalpresse – das Interesse war bis Ende Januar riesengroß, erinnert sich Haupt. „Das ging vom Interview im Frühstücksfernsehen um 7 Uhr in der BBC bis um 22 Uhr in einem US-amerikanischen Radiosender.“
Krisen in dieser Größenordnung gebe es zum Glück aber nur selten, und zwar dann, wenn Menschenleben gefährdet sind wie in der Pandemie, bei Unfällen und im Kriegsfall. In solchen Fällen wird der Krisenstab einberufen. „Das ist immer dann erforderlich, wenn eine konzernweite und überregionale Reaktion und auch Kommunikation erforderlich sind“, erläutert Haupt. Bei nur regional relevanten Krisen werden diese zumeist kommunikativ vor Ort begleitet.
„Sind wir in Hamburg verantwortlich, müssen wir zunächst entscheiden, welcher Informationsbedarf gegenüber Mitarbeitenden, Kunden oder Medien besteht“, erklärt Seifert. „Entscheidend sind dabei die potenziellen Ausmaße der Schäden, aber natürlich auch die Reputation des Unternehmens.“ Für diese Analyse braucht es ein starkes internes Netzwerk: „Man muss nicht nur wissen, wen man am besten zu welchem Thema fragt, sondern gegebenenfalls auch, welche Vertretung und wer ein guter Sparringspartner, etwa für versicherungstechnische und rechtliche Themen, ist, um schließlich eine valide Einschätzung geben zu können“, weiß Haupt.
Rund 16 Köpfe zählt sein Kommunikationsteam bei der Reederei gegenwärtig. Darunter sind vier Personen, die sich um die Kunden kümmern, zwei um Social Media, und fünf bis sechs steuern die interne und externe Kommunikation. „Bei einer großen Krise ist etwa die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen damit beschäftigt“, erzählt Haupt.
In solchen Fällen ist es immer das Ziel, zuerst Führungskräfte und Mitarbeiter zu informieren, sodass diese davon nicht aus den Medien erfahren. Wird ein Krisenstab einberufen, tagt dieser zumeist virtuell und entscheidet, welche Informationen am wichtigsten sind. Dann wird mit dem Vorstand abgestimmt, welche davon nach außen weitergegeben werden.
Im Newsroom laufen alle Fäden zusammen
Gerade bei Krisen bewährt sich der Newsroom, der vor drei Jahren eingeführt wurde. „Vorher gab es drei Teams, von denen das eine oft nicht wusste, was das andere gerade macht“, erinnert sich Haupt. „Außerdem haben wir nicht gut geplant, sondern eher reagiert und wollten das verbessern. Natürlich können nur 60 bis 70 Prozent unserer Tätigkeiten geplant werden. Aber heute gibt es eine Tages-, Wochen-, Monats-, Quartals- und Jahresplanung – das klappt sehr gut.“
Ganz wichtig war auch, den Austausch innerhalb der Abteilung weiter zu verbessern. Deshalb gibt es jeden Tag um 9.30 Uhr eine Besprechung, sodass alle im Team auf dem aktuellen Stand sind und wissen, wer an welchen Themen arbeitet. „Nicht zuletzt ging es auch darum, wie wir jedem Einzelnen die Arbeit erleichtern können, indem wir allen Teammitgliedern mehr Freiraum und Eigenverantwortung ermöglichen“, sagt Haupt.
Zum normalen Pensum gehören circa sechs bis acht Presseanfragen pro Tag. „Etwa ein Thema im Monat müssen wir genauer beobachten“, berichtet Seifert. Aber auch die vorausschauende Kommunikation, beispielsweise in den vierteljährlichen Pressecalls mit CEO Rolf Habben Janssen, ist wichtig. Hier gilt generell: „Im Zweifel immer proaktiv, klar und authentisch kommunizieren – das entspricht unserer Unternehmenskultur, nicht nur in Krisen“, so Haupt. (cb)
Fakten
Hapag-Lloyd
Gründung: 1847 von Hapag, 1970 Zusammenschluss
mit dem Norddeutschen Lloyd zu Hapag-Lloyd
Firmensitz: Hamburg
Geschäftsfeld: Linienschifffahrt
Team: rund 16.600 Mitarbeiter in über 400 Büros
in 140 Ländern
Flotte: 280 Containerschiffe, 11,9 Millionen
TEU Transportvolumen im Jahr
Umsatz: 17,9 Milliarden Euro (2023)
„Es war wenig sinnvoll, mit proaktiven Presseinformationen rauszugehen, weil sich die relevanten News fast im Stundentakt veränderten.“
Tim Seifert, Director Corporate Communications.