Wie sich in den kommenden Wochen und Monaten die Energieversorgung gestaltet, ist ungewiss. Fest steht jedoch, dass die deutschen Seehäfen dabei künftig eine wichtige Rolle übernehmen werden. Denn unter anderem die nun dringend benötigten Terminals werden genau hier entstehen – zunächst für den Import von LNG, künftig von grünem Gas.
Mittelfristig wird sich der Fokus dann verschieben, da der Energiemix zunehmend von den erneuerbaren Energien geprägt sein wird. Das bedeutet Biogas, und zwar besonders aus Windkraft und Photovoltaik. „Wichtig ist dabei, dass wir die Infrastruktur für die Anlandung von LNG heute so bauen, dass sie morgen auch für grünes Gas geeignet ist“, erläutert Christian Budde, Pressesprecher im Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz. „Denn wir werden unabhängig von der aktuellen Lage immer auf den Import von grünem Gas angewiesen sein.“
Kurzfristig mobile, künftig feste Anlagen
In Niedersachsen bieten mit Wilhelmshaven und Stade gleich zwei Standorte gute Voraussetzungen, um kurzfristig in mobilen Anlagen per Schiff importiertes Flüssiggas (LNG) sowohl zu lagern als auch für die weitere Nutzung zu regasifizieren. Dabei könnten in Wilhelmshaven bereits bis Mitte kommenden Jahres zwei solcher FSRUs im Rahmen der Projekte von Uniper und NWO festmachen. Die Gasanbindungsleitung des Erdgas-Fernleitungsbetreibers Open Grid Europe (OGE) könnte bis Ende 2022 eine Transportkapazität von 15 bis 20 bcm zur Verfügung stellen, die des Wilhelmshavener Unternehmens Nord-West Oelleitung (NWO) eine weitere mit einer Kapazität von 4 bcm bis Ende 2023.
Neben den schwimmenden Anlagen gibt es weitere Projekte für feste Anlagen, unter anderem das Projekt des belgischen Unternehmens Tree Energy Solutions (TES). Hierbei geht es allerdings in erster Linie um den ersten großen europäischen Green Energy Hub, der nachhaltige und kostengünstige klimaneutrale Energie herstellt und handelt und für grünes Gas ab 2027 in Betrieb gehen soll. Kurzfristig kann die Anlage allerdings auch als LNG-Terminal genutzt werden. Im Rahmen eines Projekts von Uniper könnte zudem bis 2025 bis zu 10 bcm grüner Ammoniak angelandet werden. In Stade könnten es zur gleichen Zeit im Zuge des Projekts Hanseatic Energy Hub (HEH) 13 bcm LNG sein.
Langfristig Import von grünem Wasserstoff
Wie groß diese Importnotwendigkeit ist, wurde im Auftrag des Ministeriums zuletzt vom Institut für Solarenergieforschung in Hameln untersucht: Danach hat importierter grüner Wasserstoff auch 2050 noch einen Anteil von 32 Prozent an den Energiequellen. Realisierbar wären die dafür erforderlichen Anlagen bis 2024 in Stade und bis 2025 in Wilhelmshaven. „Mit dem geplanten Green-Gas-ready-Terminal in Wilhelmshaven verfolgt TES genau dieses Ziel und kann auf diese Weise dazu beitragen, Deutschland und Europa angesichts der aktuellen Energiekrise schnell mit LNG und in wenigen Jahren bereits mit erheblichen Mengen grüner Energie aus Übersee zu versorgen“, betont Olaf Lies, der niedersächsische Umwelt- und Energieminister.
In der Anfangsphase können in Wilhelmshaven bei 25 Terawattstunden grünem Gasimport pro Jahr mehr als eine halbe Million Tonnen Wasserstoff produziert und importiert werden. Diese Kapazität soll dann auf 250 Terrawattstunden pro Jahr in der Endstufe und damit auf mehr als fünf Millionen Tonnen Wasserstoff steigen – ein wichtiger Beitrag zur deutschen und europäischen Wasserstoff- und Klimaschutzstrategie. „Wenn keine weiteren Genehmigungsverzögerungen auftreten, kann die Anlage inklusive Regasifizierung Mitte bis Ende 2025 in Betrieb genommen werden“, so Schmidt. „Ab 2027 wird dann stufenweise der Import von grünem Gas hochgefahren und ersetzt somit das zwischenzeitlich importierte LNG bis 2045 vollständig.“
Potenzial auch für Bremen
Der Import von grünem Wasserstoff bietet auch Chancen für die bremischen Häfen, die für den Umschlag von mit Schiffen gebrachtem grünen Wasserstoff prädestiniert seien, sagt die Bremer Senatorin für Wissenschaft und Häfen, Dr. Claudia Schilling. „Eine von uns in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel ‚Untersuchung zur Entwicklung und dem Aufbau einer hafenbezogenen Wasserstoffwirtschaft‘ wird uns weitere Erkenntnisse für den zukunftsgerechten Umbau unserer Hafenwirtschaft geben.“
Künftig dürfte außerdem die Bedeutung der Häfen insbesondere im Hinblick auf den Ausbau der Offshore-Windenergie zunehmen. In Niedersachsen sind das vor allem Wilhelmshaven und Stade, aber auch Emden. Überdies gehört das Deutsche Offshore-Industrie-Zentrum Cuxhaven (DOIZ) heute zu den größten Offshore-Häfen in Europa. Neu aufstellen könnten sich außerdem Häfen, die für die Energieversorgung und den Eigenimport bisher keine bedeutende Rolle gespielt haben: „Im Zuge der Energiewende und des voraussichtlich damit verbundenen wachsenden Imports von Wasserstoff oder synthetischer Treibstoffe ergeben sich auch für die bremischen Häfen neue Möglichkeiten, mehr grüne Energieträger umzuschlagen“, unterstreicht die Senatorin. (cb)
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