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Per Meeresautobahn nach Norwegen

Zwischen Wilhelmshaven und Norwegen sollen künftig regelmäßig Fähren verkehren. Das plant der Tiefkühllogistiker Nordfrost, der dafür das firmeneigene Hafengrundstück samt RoRo-Anlage nutzen und ein Schiff chartern will.

Künftig soll eine etwa 150 Meter lange Frachtfähre mit einer Kapazität von 100 bis 130 Fahrzeugeinheiten mehrmals wöchentlich Wilhelmshaven mit Norwegen verbinden.

Fotos: Pexels/Pixabay, Nordfrost;
Zeichnung: Heike May; Grafik: Nordfrost

Mit Hochdruck arbeitet ein Team des Tiefkühl­logistikers Nordfrost bereits seit mehreren Mona­ten daran, das Herzensprojekt des Firmengründers Horst Bartels weiter voranzutreiben: eine Fährverbindung zwischen Wilhelmshaven und Norwegen. An- und Ablegen an der RoRo-Anlage in Wilhelmshaven sollen die Schiffe mehrmals wöchentlich – und das tideunabhängig aufgrund der Wassertiefe von acht bis zehn Metern. Genutzt werden soll dafür ein sieben Hektar großes Grundstück. Auf der firmeneigenen Fläche hatte das Unternehmen seit den 70er-Jahren Bulkschiffe abgefertigt. Umgeschlagen wurden damals hauptsächlich Lebensmittel wie Milchprodukte, Fleisch und Fisch sowie Zucker und Kartoffeln, aber auch Holz. Im Laufe der Jahre wurden diese Güter jedoch immer öfter statt als Bulkware im Container transportiert. Auch Offshore-Aktivitäten, die auf der Fläche eine Zeit lang betrieben wurden, gab es zuletzt nur noch selten. Stattdessen erfolgte hier die Abwicklung von Projektladung und das Stauen von Boxen, was aber aufgrund des erforderlichen Umtransports zum acht Kilometer entfernten Containerhafen künftig in die neue, dort gelegene Schwerlasthalle des Unternehmens verlagert wird. Entsprechend hatte sich Horst Bartels überlegt, wie die Fläche im Inneren Hafen sinnvoll genutzt werden kann.

Chartern von 150-Meter-Fähre geplant

Zudem soll die Fährverbindung das Portfolio des Unternehmens erweitern: „Mit 40 Logistikzentren in Deutschland und den europaweiten Tiefkühltransporten verfügen wir in unserem Kerngeschäft über eine breite Basis, auf der wir die Hafenlogistik als noch junges, strategisches Geschäftsfeld entwickeln“, sagt Geschäftsführerin Britta Bartels. „Mein Bruder und ich sind von der Idee unseres Vaters überzeugt und wollen sie in seinem Sinn umsetzen.“

Ein vierköpfiges Projektteam ist gerade dabei, den Markt im Hinblick auf geeignete Fähren zu sondieren. „Wir kümmern uns um die Marktanalyse sowie um Kontakte zu potenziellen Geschäftspartnern“, berichtet Jan Sprock, seit Herbst vergangenen Jahres als Operation Manager Ferry Services beim Tiefkühllogistiker tätig. Manches ist noch nicht abschließend entschieden. Ein paar Details stehen ­allerdings schon fest: So soll zunächst ein Schiff gechartert und nicht gekauft werden. Derzeit geht Sprock von einer etwa 150 Meter langen Frachtfähre mit einer Kapazität von 100 bis 130 Fahrzeugeinheiten und bis zu zwölf Kabinen aus.

Um die am besten geeigneten Häfen in Norwegen und die passende Abfahrtfrequenz zu ermitteln, wurde bereits der Markt analysiert. „Ein Anlaufhafen wird sich voraussichtlich in Südnorwegen befinden, eventuell kommen aber auch noch zwei wöchentliche Abfahrten an der Westküste hinzu“, so Sprock. Eine weitere Option ist eine Dreiecksverbindung mit Einbindung der Ostküste. Derzeit seien etwa zwei bis drei Abfahrten pro Woche geplant, je nach Anzahl der Häfen. „Wir gehen davon aus, dass die Fährverbindung quasi von selbst Nutzer generiert. Dennoch wollen wir die Häfen in Norwegen finden, mit denen wir den größtmöglichen Bedarf abdecken“, betont Geschäftsführerin Bartels. „Dafür hat sich unser Projektteam in Norwegen umgeschaut und für unsere Idee geworben.“

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Fakten

Nordfrost
Gründung: 1975
Firmensitz und Europazentrale: Schortens
Ranking: Deutschlands führender Dienstleister in der Tiefkühllogistik, europaweit führend bei den Tiefkühlkapazitäten und weltweit unter den Top Ten der Tiefkühllagerlogistik
Logistikzentren: 40 bundesweit
Tiefkühl-Palettenstellplätze: 810.000
Umsatz: rund 430 Millionen Euro 2019
Beschäftigte: rund 3.000

Potenzielle Kunden sieht das Unternehmen im Export nach Norwegen unter anderem in der Bauindustrie und in der Energiebranche, in denen Stückgüter vom Bagger bis zum Generator vielfach auf Mafi-Trailern, verschifft werden. In Kombination mit dem Containerhafen Wilhelmshaven schafft die Fähre eine schnelle Verbindung zwischen Asien, Europa und Norwegen. Sprock: „Das Handling der Boxen ist hier extrem unkompliziert. Ein aus Asien eintreffender Container muss kein zweites Mal mit Containerbrücken umgeschlagen werden, sondern wird einfach per Chassis beziehungsweise Mafi-Trailer zur Fähre transportiert und im Empfangshafen wieder aufgenommen.“ Im Import von Norwegen nach Deutschland soll das neue Angebot vor allem Kunden der Lebensmittelbranche für Tiefkühl- wie auch frische Waren ansprechen. Ab Wilhelmshaven besteht die Anbindung an das europaweite unternehmenseigene Tiefkühltransportnetz, über das die Ware per Lkw deutschland- und europaweit verteilt wird. Des Weiteren kann containerisierte Ware über den Containerhafen nach Übersee verschifft werden.

Bis zu 800 Kilometer weniger Strecke

Es gibt aber auch noch weitere Gründe, weshalb man bei Nordfrost davon ausgeht, dass die neue Fährverbindung Zuspruch erfahren wird: Ein Großteil der Fracht für den westeuropäischen Markt werde aus Westnorwegen derzeit über Dänemark oder Schweden transportiert. „In Kilometer umgerechnet ergibt sich durch die Fährverbindung – je nach Zielort – eine Einsparung von bis zu etwa 800 Straßenkilometern und ebenso natürlich von CO2“, hat Sprock ausgerechnet. Eine solche Verbindung entspreche auch dem Konzept der EU-Kommission, sogenannte Motorways of the Sea (Meeresautobahnen) einzuführen. Als Teil intermodaler Transportketten haben diese transnationalen Seeverkehrsverbindungen eine hohe Frequenz und wickeln große Transportaufkommen ab – wie herkömmliche Autobahnen. „Und auch der kombinierte Verkehr ist für uns denkbar“, so Sprock. Dafür könne künftig der eigene Bahnanschluss genutzt werden, den das Nordfrost Seehafen-Terminal im Containerhafen Wilhelmshaven gerade erhält. Mittelfristig könnte Wilhelmshaven sogar ein Punkt auf der neuen Seidenstraße werden, denkt Sprock weiter: „Von China kann die Ware dann per Bahn direkt nach Wilhelmshaven und von hier per Schiff nach Norwegen transportiert werden.“ Zu den ökologischen Vorteilen komme die Zeitersparnis hinzu: „Mit der Fähre ist der Transport bis zu sechs Stunden schneller als die nächstbeste Alternative“, hebt Sprock hervor.

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Das derzeit im Bau befindliche 40 Meter hohe Hochregallager könnte auch für Ware von norwegischen Lebensmittelexporteuren genutzt werden.

Angesichts des zunehmenden Fahrermangels, der durch Quarantäneauflagen und Einreisebeschränkungen während der Coronapandemie noch verschärft wird, kann mittels der Fährverbindung auch Personal eingespart werden. Das Unternehmen setzt vor allem auf unbegleitete Verkehre. Aber auch für die Disposition ergibt sich ein Gewinn: Von Nordrhein-Westfalen sind die skandinavischen Häfen dann anders als bisher ohne Ruhezeit der Lkw-Fahrer erreichbar.

Noch einmal zurück zu den örtlichen Gegebenheiten in Wilhelmshaven: Auch wenn die RoRo-Rampe bereits vorhanden ist, gibt es noch ein paar Dinge zu tun, bis die Schiffe an der 470 Meter langen Kaje anlegen können: So müssen beispielsweise bisher nicht befestigte Flächen gepflastert und eine neue Gatesteuerung implementiert werden. Das Ziel ist Sprock zufolge bereits in Sichtweite: „Etwa Mitte der zweiten Jahreshälfte werden wir die Voraussetzungen zum Start der Fährverbindung geschaffen haben.“ (cb)

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