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Nicht der Heilige Gral

Immer mehr Beschäftigte können sich für eine Viertagewoche begeistern. Bei den Arbeitgebern herrscht allerdings vielerorts Skepsis. Andreas Hohnke, Geschäftsführer von Cargo Truck Direct, und Volker Tschirch, Hauptgeschäftsführer des AGA Unternehmensverbands, erläutern ihren Standpunkt – unter anderem mit Blick auf die Nebenschauplätze Fachkräftemangel und Lebensqualität.

Fotos: Cargo Truck Direct, AGA Norddeutscher Unternehmensverband
LOGISTICS PILOT: Einige Unternehmen denken darüber nach, die Viertagewoche bei gleichem Gehalt einzuführen. Ist das ein Arbeitszeitmodell, das für die Logistikbranche und darüber hinaus Zukunft hat?
Andreas Hohnke:
Ja! Es hat definitiv Zukunft, um sich im Rennen um Fachkräfte besser zu positionieren und um Top-Performer zu halten. Aber die Viertagewoche ist nicht der heilige Gral. Sie kann ein mächtiges Instrument im Kontext mit anderen Maßnahmen sein. Richtig eingesetzt kann sie zum Magneten für Fachkräfte werden.

Volker Tschirch: Die Viertagewoche ist bei Weitem noch kein Massenphänomen. Uns fehlen in der Logistik Tausende Arbeitskräfte. Allein bei den Lkw-Fahrern 70.000. Durch die Altersstruktur – unsere Fahrerinnen und Fahrer sind im Durchschnitt älter als in anderen Berufsgruppen – wächst diese Lücke jährlich um 20.000 Personen. Flexibilität ist das Gebot der Stunde für unsere Unternehmen. Und das erwarten auch junge Fachkräfte von ihren Arbeitgebern. Das bedeutet nicht unbedingt, dass alle die Arbeitszeit reduzieren oder eine Viertagewoche wollen. Es geht vielmehr um die Freiheit, seine Arbeit flexibel einteilen zu können. Das ist schon heute vielfach gelebte Wirklichkeit.

LOGISTICS PILOT: Welche Vorteile sehen Sie durch dieses Arbeitsmodell?
Andreas Hohnke:
Für den Arbeitnehmer ist es definitiv ein Vorteil, da er mehr Freizeit und damit auch mehr Regenerationszeit hat. Der Arbeitgeber hat somit einen Mitarbeiter, der ausgeruhter ist. Man kann die Leute in einem Industrieland wie Deutschland, das sich immer weiterentwickelt, nicht immer nur mit mehr Geld abfrühstücken. Die Leute brauchen etwas anderes, und den Erfolg kann man ja in anderen Ländern schon beobachten. Daher haben wir uns dazu entschlossen, unseren Mitarbeitern etwas zurückzugeben – und zwar das Wichtigste, das man im Leben hat: Zeit. Darüber hinaus ist die Viertagewoche auch ein Steuerungsinstrument im Hinblick auf Produktivität und Mitarbeiterauswahl.

Volker Tschirch: Dort, wo hoch spezialisierte Fachkräfte händeringend gesucht werden, die weniger als Vollzeit arbeiten wollen, kann die Offerte einer Viertagewoche oder noch weniger ein Matching bringen – ich denke an Programmierer, andere IT-Spezialisten oder Ingenieure. Eine pauschale Viertagewoche ist kein Modell für die Logistik. Die Branche ist wie ein Uhrwerk. Wenn alle Mitarbeiter montags oder freitags ihren freien Tag nehmen, fehlen Waren im Handel und Güter in der Produktion – dann funktioniert das ganze System nicht mehr.

LOGISTICS PILOT: Überwiegen Ihrer Meinung nach bei der Viertagewoche die positiven oder die negativen Aspekte?
Andreas Hohnke:
Wir haben bis dato keine negativen Auswirkungen gespürt, somit überwiegen die positiven Aspekte. Negative Auswirkungen hatten wir in der Testphase. So hatten wir am Anfang die freien Tage der Mitarbeiter auf Montag, Dienstag und Mittwoch gelegt, da donnerstags und freitags die Tage sind, an denen am meisten los ist. Allerdings führte dies zu mehr Stress an den drei anderen Tagen, da dann auf einen Schlag zu viele Mitarbeiter gleichzeitig gefehlt haben. Das konnten wir aber durch Nachjustieren ausmerzen, indem wir das Ganze von Montag bis Freitag ausgeweitet haben. Die Viertagewoche funktioniert eben nur, wenn alle daran ziehen und als Team arbeiten.

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„Man kann die Leute nicht immer nur mit mehr Geld abfrühstücken.“

Andreas Hohnke ist Geschäftsführer von Cargo Truck Direct, einem inhabergeführten Logistikunternehmen mit Sitz in Düsseldorf. Er hat zum Jahresbeginn in seinem Unternehmen eine achtwöchige Testphase mit der Viertagewoche gestartet und diese ab 1. April 2023 dauerhaft eingeführt.

Volker Tschirch: Alle Arbeitszeitmodelle, die freiwillig in unseren Betrieben mit unseren Beschäftigten vereinbart werden, haben ihre volle Berechtigung. Wir lehnen einen gesetzlichen Zwang zur Viertagewoche ab. Wir brauchen vielmehr – um den Bedürfnissen einer modernen Arbeitswelt gerecht zu werden – ein flexibleres Arbeitszeitrecht. Warum muss die Ruhezeit zum Beispiel immer streng mindestens elf Stunden betragen? Die Lebensmodelle der Arbeitnehmer sind höchst heterogen. Für viele kann es wegen familiärer Verpflichtungen attraktiv sein, von fünf auf vier Tage zu reduzieren. Für andere ist das vielleicht keine Option. Genauso bei den Arbeitgebern: Je nach Branche und Tätigkeiten ist zu einer bestimmten Zeit einfach ein bestimmter Personaleinsatz nötig. Durch die älter werdende Gesellschaft werden wir alle länger arbeiten müssen. Unser Wohlstand lässt sich nicht im kollektiven Freizeitpark organisieren.

LOGISTICS PILOT: Wenn die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte nur noch an vier Tagen arbeiten, wird das dann automatisch zu einem höheren Personalbedarf bei den Unternehmen führen?
Andreas Hohnke:
Nein, nicht zwingend, dass kann man so pauschal nicht sagen. Wir beraten mittlerweile zu dem Thema und haben noch keinen Fall gehabt, wo mehr Personal benötigt wurde. In der Regel kommt man mit dem bestehenden Personal gut aus.

Volker Tschirch: Der Kräfte- und Fachkräftebedarf ist schon heute riesig. Automatisierung und Digitalisierung können fehlendes Personal teilweise ausgleichen. Pauschal auf einen ganzen Tag in der Woche zu verzichten, und dies bei gleichbleibenden Personalkosten, das würde viele Unternehmen und die Beschäftigten überfordern. Deswegen muss die Entscheidung über eine Viertagewoche beim Arbeitgeber liegen. Die Politik sollte sich hier heraushalten und besser die eigenen Hausaufgaben erledigen – beispielsweise durch mehr Personal in Kitas und Pflegeeinrichtungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen.

LOGISTICS PILOT: Ist die Option der Viertagewoche für Unternehmen jeder Größenordnung in gleicher Weise umsetzbar?
Andreas Hohnke:
Das ist pauschal schwierig zu beantworten, da es auf die Redundanzen der Positionen im Unternehmen ankommt. Des Weiteren spielt das Qualifikationsniveau eine wichtige Rolle. Dann ist da unter anderem noch die Frage: Kann das Unternehmen auf einen Tag verzichten? Also nur an vier Tagen für Kunden erreichbar sein beziehungsweise die Produktion nur vier Tage laufen lassen. Oder muss das Unternehmen an fünf Tagen produzieren oder erreichbar sein? Das muss man prüfen. Im ersten Fall ist es noch recht einfach. Denn dann sind alle nicht da. Im zweiten wird es schon kniffliger. Hier kann man es aber mit einem ausgeklügelten Schichtplan hinbekommen.

Volker Tschirch: Betriebe arbeiten so unterschiedlich, dass es die eine Lösung, die für alle passt, nicht gibt. Wir brauchen daher flexible Lösungen, die der Lebenswirklichkeit von Beschäftigten und Unternehmen entsprechen. (bre)

„Unser Wohlstand lässt sich nicht im kollektiven Freizeitpark organisieren.“

Volker Tschirch ist Hauptgeschäftsführer des AGA Unternehmensverbands und alternierender Vorsitzender im Verwaltungsausschuss der Arbeitsagentur in Hamburg.