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„Kavaliere alter Schule sind weiterhin gefragt“

Nein, die Zahl der möglichen Fettnäpfchen verringert sich nicht automatisch durch eine reduzierte geografische Entfernung zum Land des Geschäftspartners. Auch im Nachbarland Polen kann einiges schieflaufen – ob durch die falsche Wortwahl beim Toast oder bei der Suche nach der richtigen Toilette.

Fotos: ISTOCKPHOTO/EFENZI/TOAMAP49, PRIVAT, DPG
Um in Polen auf geschäftlichem Terrain erfolgreich zu sein, bedarf es einer Mischung aus Wissen und Fingerspitzengefühl. Ein gut geführter Kalender und gute Manieren können ebenfalls hilfreich sein. Das weiß Uwe Metschke, der von 2014 bis 2021 Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft in Bremen war und lange in Polen gelebt hat – unter anderem während seines Studiums der Seeverkehr- und Hafenwirtschaft in Danzig und als Mitarbeiter der Hafenorganisation Interport in Stettin. „Schon bei der ersten Begegnung kann es für Verwirrung sorgen, wenn Sie, wie einige Deutsche, mit einem überschwänglichen Händeschütteln starten statt mit einer leicht angedeuteten Verbeugung“, erläutert Metschke. Auch von dem in vielen Reiseknigges bis heute empfohlenen angedeuteten Handkuss rät er ab. „Damit kann man höchstens noch bei den älteren Generationen punkten. Und dass auch nur, wenn die Dame einem zuvor dezent die Hand entgegenstreckt“, macht er deutlich.

Gastfreundschaftliche Familienmenschen

Eine weit verbreitete deutsche Unsitte sei es auch, gleich zu Beginn mit der Tür ins Haus zu fallen und beruflich ins Detail zu gehen. Hier mache es Sinn, erst einmal mit gutem Small Talk zu starten, um eine persönliche Verbindung herzustellen. „Dabei kann es durchaus angemessen sein, über das familiäre Umfeld zu sprechen und Fotos der Kinder auf dem Smartphone zu zeigen. Denn die Polen sind echte Familienmenschen“, so Metschke. Zudem werde dort, anders als bei uns, nicht so eine strenge Trennung zwischen beruflichen und privaten Inhalten vollzogen. Das zeige sich auch, wenn man zum Geschäftsessen ins Restaurant oder in das private Umfeld des Gesprächspartners eingeladen wird. „In Polen ist es undenkbar, dass Sie abends nach 17 Uhr einfach ins Hotel geschickt werden. Stattdessen betreut man Sie, bis Sie ins Bett fallen. Das ist Teil der polnischen Gastfreundschaft“, sagt Metschke.

Um diese Gastfreundschaft nicht zu gefährden, gilt es, einige Benimmregeln im Hinterkopf zu haben. Dazu gehört es, keine Witze über den Papst oder die katholische Kirche zu machen. „Ebenso ist es unangebracht, Damen nach ihrem Alter zu fragen, oder einen Toast mit dem russischen ‚Na sdorowje!‘ auszubringen. Denn insbesondere in der aktuellen Situation möchten die Polen nicht mit Russland in Verbindung gebracht werden“, so Metschke. Und da sich die Polen selbst als Mittelosteuropäer sehen, sei stattdessen ein „Cheers!“ oder „Zum Wohl!“ angebrachter. Positiv registriere man in unserem Nachbarland indes, wenn man wie ein Kavalier alter Schule agiere: den Damen die Tür aufhält, in den Mantel hilft oder angemessene Komplimente macht. „Denn polnische Frauen sind es gewohnt, höflich behandelt zu werden“, bringt es Metschke auf den Punkt.

Ein ungewohntes Bild für jemanden, der noch nicht in Polen war. Der Kreis bezeichnet die Damentoilette, das Dreieck die Herrentoilette.

Schwierige Zeichendeutung und Namenstage

Während des Geschäftsessens lässt sich ebenfalls die eine oder andere landestypische Besonderheit beobachten. So sei es eine Art „erzogene Bescheidenheit“, dass Polen ein Angebot von Speisen und Getränken beim ersten Mal oft ablehnen, um es dann im zweiten oder dritten Anlauf anzunehmen. Auch gehöre für sie zu einem „ordentlichen Essen“ stets eine Suppe und ein Nachtisch. „Nach Nachschlag zu fragen, gilt jedoch als ungehörig und hat den unangenehmen Beigeschmack des Bettelns“, ergänzt Metschke. Dafür werde aber ein Lob über polnische Backwaren oder das polnische Bier gern angenommen. Aber Vorsicht: „Das polnische Bier hat einen fast so hohen Alkoholgehalt wie Bockbier und kann einem schnell zu Kopf steigen“, warnt der Experte. Wer das Bier, wie man salopp sagt, wegbringen möchte, stößt oftmals auf ein weiteres Problem. Denn manche Toiletten dort sind nur mit einem Kreis oder einem Dreieck gekennzeichnet. „Der Kreis bezeichnet die Damentoilette, das Dreieck das Pendant für den Herrn. Wer das vergisst, muss gegebenenfalls warten, bis jemand rauskommt“, lautet Metschkes Empfehlung.

„Im Tagesgeschäft erweisen sich die Polen häufig als qualifizierte und harte Verhandler, vor allem wenn es um Fristen und Finanzen geht“, hat er festgestellt und rät diese Verhandlungen, wenn möglich, auf Englisch zu führen. Zudem sei eine Begleitung, die der Landessprache mächtig ist, von Vorteil. Schließlich habe er in der Vergangenheit mehrfach die Erfahrung gemacht hat, dass Polen in kritischen Situationen gern mal ihre Sprache als Geheimsprache untereinander nutzen. Wer das im Vorfeld ein wenig einschränken und gleichzeitig ein paar Pluspunkte sammeln möchte, sollte einfach ein paar polnische Begriffe in den Ring werfen. Zum Beispiel „Dzień dobry!“ (zu deutsch: Guten Tag), „Dziękuję!“ (Danke), „Proszę bardzo!“ (Bitte sehr), „Przepraszam!“ (Verzeihung) oder „Trudno“ (Pech gehabt / Dumm gelaufen). „Dann freut sich der Gastgeber über Ihre Landesaffinität, weiß aber gleichzeitig nicht genau, wie weit Ihre Sprachkenntnisse tatsächlich reichen“, gibt Metschke mit einem Augenzwinkern zu bedenken. Ein weiterer Tipp: Wer bereits erfolgreich ins Geschäft gekommen ist, sollte sich die Namenstage seiner Businesspartner im Kalender notieren und mit einem kleinen Präsent honorieren. Denn Namenstage sind in Polen wichtiger als Geburtstage.

Gemeinsam „backen“

Mit Blick auf das aktuelle politische Verhältnis zwischen beiden Ländern, verweist Metschke abschließend auf ein Zitat von Marek Prawda, dem Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Warschau. Anlässlich der Verleihung des Viadrina-Preises der Europa-Universität an die Städte Bremen und Danzig sagte Prawda im vergangenen Jahr: „Die europäische Zusammenarbeit wird nicht nur daran gemessen werden, ob jeder sein Stück vom Kuchen abbekommt, sondern daran, ob jeder beim Backen mitmachen kann.“ Für Metschke eine perfekte Metapher, wie nicht nur politische, sondern auch geschäftliche Kooperationen bestens gelingen können. (bre)

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Uwe Metschke, ehemaliger Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft in Bremen

„Mit einem angedeuteten Handkuss kann man höchstens bei den älteren Generationen punkten.“

Uwe Metschke, ehemaliger Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Gesellschaft in Bremen

Katarzyna Weichert

„Das moderne Kulturland Polen allen näherbringen“

Interview mit Katarzyna Weichert, Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Gesellschaft (DPG) in Bremen

Frau Weichert, wenn auf einer Skala von eins bis zehn der beste Wert zehn ist, wie eng sind Polen und Deutschland aus Ihrer Sicht miteinander verbunden?

KATARZYNA WEICHERT: Polen und Deutschland haben ein besonderes und enges Verhältnis, welches durch bilaterale Verbindungen auf vielen Ebenen geprägt ist. Wenn ich die unterschiedlichen politischen Standpunkte und die wechselvolle Geschichte beider Länder einmal ausklammere und meine Einschätzung insbesondere auf die Qualität des zwischenmenschlichen Dialogs beziehe, dann würde ich das Miteinander mit einer Acht bewerten.

Woran machen Sie diese Einschätzung fest?

KATARZYNA WEICHERT: Das kann ich an vielen Faktoren festmachen. Neben den dynamisch wachsenden Handelsbeziehungen zwischen beiden Nationen sehe ich vor allem das zunehmende gesellschaftliche und kulturelle Miteinander, das sich nicht nur in Städte- und Regionspartnerschaften widerspiegelt, sondern auch auf der Ebene von Vereinen und privaten Initiativen sowie den deutsch-polnischen beziehungsweise polnisch-deutschen Gesellschaften. Nicht zu vergessen die zahlreichen schulischen und universitären Verbindungen, die Hochschulkooperationen und der stetige Austausch unterschiedlichster Jugendgruppen, zum Beispiel der Pfadfinder. All das trägt dazu bei, dass der gegenseitige Respekt und die Achtung voreinander wachsen und dass das Miteinander freundschaftlich und unkompliziert ist.

Wie ist die Deutsch-Polnische Gesellschaft in Bremen in diesen Prozess involviert?

KATARZYNA WEICHERT: In drei Jahren feiern wir als DPG in Bremen unser 50-jähriges Bestehen. Das heißt, seit Dezember 1975 engagieren wir uns für die Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen und unterstützen die städtepartnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Bremen und Danzig. Dies gelingt uns insbesondere durch persönlichen Austausch und gegenseitige Besuche. Wir bringen Menschen zusammen, indem wir Ausstellungen, Vorträge, Konzerte, Lesungen, Filmvorführungen und weitere Veranstaltungen organisieren – mit dem Ziel, das moderne Kulturland Polen allen Menschen näherzubringen. Ebenso fördern wir die deutsch-polnische Zweisprachigkeit und unterstützen Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die in Bremen Polnisch lernen. Man kann also durchaus sagen, dass wir in Bremen der erste Ansprechpartner für alle Themen rund um Polen sind.

Welche Projekte standen in der jüngsten Vergangenheit oder stehen in den nächsten Monaten auf Ihrem Programm?

KATARZYNA WEICHERT: Der September war mit dem Polnischen Tag, den wir gemeinsam mit dem Focke-Museum organisiert haben, einem Kindertheater zum Thema Umwelt und einer Lesung gut gefüllt. Und auch in den nächsten Monaten wird unser Programm vielfältig sein. Für Kinder organisieren wir die Treffen des deutsch-polnischen Spielkreises und ein Kinder-Mitmach-Theater, das sich mit dem Thema Gotik beschäftigt. Für Jugendliche stehen ein Austausch zum Thema Graffiti mit unserer Partnergesellschaft TPN aus Danzig und weitere Projekte zur Förderung der Mehrsprachigkeit auf dem Programm. Die Erwachsenen sprechen wir überdies mit Lesungen und Konzerten an – und mit dem bereits zum vierten Mal stattfindenden Frauenforum, bei dem sich Frauen aus Bremen und Danzig zu verschiedenen Themen rund um ihren Alltag austauschen.

Trotz Ihrer positiven Bewertung des deutsch-polnischen Miteinanders gibt es doch bestimmt auch Bereiche, in denen Sie noch Optimierungsbedarf sehen, oder?

KATARZYNA WEICHERT: Es muss uns auf jeden Fall gelingen, mehr nach vorne zu schauen und wichtige Zukunftsthemen besser in den Fokus zu bringen – und damit insbesondere die jungen Menschen anzusprechen. Sie sind unser Zukunftspotenzial. Denn unsere Zukunft wird von den Menschen geprägt sein, die sich heute begegnen. Vor diesem Hintergrund will die DPG zukünftig auch stärker als bisher auf wirtschaftlichem Terrain agieren. Hierbei ist ein deutsch-polnisches Wirtschaftsforum in Bremen unser Wunsch, um neben den anfangs angesprochenen Aktivitäten einen zusätzlichen Schwerpunkt der seit April 1976 bestehenden Städtepartnerschaft zwischen Bremen und Danzig zu setzen.

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