J. Müller ist eng mit Niedersachsens zweitgrößtem Hafen in Brake verbunden. Aber auch Bremen ist ein wichtiger Standort für das inhabergeführte Familienunternehmen. Dass der Hafen- und Logistikdienstleister über ein großes und zugleich ausdifferenziertes Portfolio verfügt, dürfte wesentlich dazu beigetragen haben, dass er nun schon auf zwei Jahrhunderte Tradition zurückblicken kann.
Fotos: J. Müller/SKYPIC MEDIA/JANA WEBER PHOTOGRAPHY, J. Müller/Heide Pinkall
Für den Hidden Champion ist 2021 ein ganz besonderes Jahr: Im Mai hat J. Müller sein 200. Jubiläum begangen. Gründe zu feiern, gibt es natürlich viele. Der wohl wichtigste: Das traditionsreiche Unternehmen zählt zu den ältesten Hafenbetreibern im Familienbesitz in ganz Europa und hat gute Aussichten, diesen Titel auch weiterhin zu führen. Aber auch ohne diese Historie ist das Unternehmen mit dem Umschlag, der Lagerung und der Distribution von Agrar-, Schütt- und massenhaftem Stückgut sowie Projektladung in seiner Nische zugleich spezialisiert und breit aufgestellt. Was das im Einzelnen bedeutet, zeigt der Vorstandsvorsitzende Jan Müller, der das Unternehmen in der sechsten Generation führt, bei einem Rundgang über die Anlagen in Bremen und Brake:
Das Kaffeeterminal im Bremer Holzhafen
„Unser trimodales Terminal mit der Siloanlage für Kaffee zeigen wir Besuchern immer sehr gern“, sagt Müller und ergänzt: „Die meisten Menschen haben einen besonderen Bezug zu Kaffee und finden auch die Logistik dahinter spannend.“ Und hier hat J. Müller als eines der Drehkreuze für die weltweiten Rohkaffeeströme einiges zu bieten: Zu den Dienstleistungen, die das Unternehmen rund um die Bohnen für das beliebte Heißgetränk übernimmt, gehört beispielsweise die Prüfung der Ware, die im Container per Binnenschiff, Bahn oder Lkw im Bremer Holzhafen ankommt.
„Rund 300.000 Tonnen schlagen wir hier pro Jahr um“, unterstreicht Müller. Dabei wird die Ware gründlich geprüft und nach Kundenwunsch bemustert. Sofern die Bohnen nicht im Seecontainer weitergeleitet werden sollen, werden diese entladen, verwogen und dann eingelagert. „Unsere Kunden können und müssen sich auf die Qualität verlassen können. Daher messen wir die Temperatur und die Feuchtigkeit und stellen ihnen diese Werte online zur Verfügung.“ Je nach Wunsch wird der Kaffee dann beispielsweise veredelt und chargiert.
Aber auch Anforderungen potenzieller Neukunden werden gründlich analysiert und evaluiert. „Wir sind am Kaffeeterminal ständig dabei, die Prozesse zu optimieren und weiter zu investieren“, unterstreicht Müller. Dabei komme dem Unternehmen zugute, dass alle Services rund um den Umschlag, die Veredelung sowie die Lager- und Transportlogistik ineinandergreifen, was für reibungslose Prozesse sorge.
Fakten
Unternehmensgruppe J. Müller
Gründung: 1821
Standorte: Brake (Firmensitz) und Bremen
Geschäftsfelder: Betrieb von Seehafenterminals samt dazugehöriger Dienstleistungen rund um Häfen und Schifffahrt
Produktgruppen: Getreide, Futter- und Düngemittel, Forstprodukte, Eisen/Stahl, Windkraft- und Industrieanlagen und Schwerlastgüter, Kaffee sowie sonstiges massenhaftes Schütt- und Stückgut
Partikulierflotte: 30 Binnenschiffe
Umschlag: 6 Millionen Tonnen Stück- und Schüttgut (2020)
Umsatz: 105 Millionen Euro (2020)
Mitarbeiter: 479
Rund 300.000 Tonnen Kaffee schlägt J. Müller pro Jahr am Standort Bremen um.
Der Niedersachsenkai in Brake
Eine besondere Bedeutung hat für J. Müller auch der Niedersachsenkai unter anderem mit seinem Forstproduktehub am Firmensitz im Seehafen Brake. „Erst 2020 haben wir hier zwei neue Lagerhallen mit einer Fläche von insgesamt knapp 28.000 Quadratmetern in Betrieb genommen“, freut sich Müller. Gelagert wird in den Hallen vor allem Zellstoff. Für diesen Rohstoff der Papierherstellung ist das Unternehmen mit über einer Million Tonnen Umschlag im Jahr der größte Importhafen in Deutschland. Etwa die Hälfte davon wird per Bahn ins europäische Hinterland transportiert. „Wir können hier mit unserer guten Bahnanbindung punkten, mit der wir die meisten Zielorte mit Anschlussgleis in Europa innerhalb von 48 Stunden erreichen können“, hebt der Vorstandsvorsitzende hervor.
Es geht aber auch noch weiter: Ein ganz besonderes Ereignis war 2020 der erste Direktzug mit 1.000 Tonnen Zellstoff mit dem Ziel Chongqing in China. „Die Seidenstraße ist für uns ein weiterer schneller und vor allem umweltfreundlicher Weg für Transporte nach Zentralchina“, sagt Müller. Sowohl Asien als auch die Länder der ehemaligen UdSSR sind für das Unternehmen besonders attraktive Wachstumsmärkte für den Absatz von Zellstoff. Überzeugen kann das Unternehmen beim Umschlag dieser Forstprodukte vor allem mit seiner 50-jährigen Erfahrung in diesem Segment: „Wir wissen genau, worauf es bei der Lagerung und Behandlung von Zellstoff und Papier ankommt. Weite Bereiche der dafür zur Verfügung stehenden Anlagen haben wir zum Beispiel mit einem Bodenbelag ausgestattet, der speziell für die Lagerung von Papier ausgelegt ist“, erläutert Müller.
Das Agrar- und Schwerlastterminal in Brake
Ebenfalls in Brake befindet sich das Agrar- und Schwerlastterminal. Für das Handling von Getreide- und Futtermitteln kann der Seehafen mit seiner geografisch günstigen Lage als Schnittpunkt globaler Logistikströme und in unmittelbarer Nähe zur nordwestdeutschen Veredelungsindustrie aufwarten. Auch hier ist die Verkehrsanbindung trimodal per Straße, Schiene und Wasserstraße.
„Rund vier Millionen Tonnen Agrargüter schlagen wir hier um“, betont Müller. „Mit dem Kauf der Getreideverkehrsanlage in Bremen vor fünf Jahren konnten wir unsere Kapazität noch einmal erheblich ausbauen.“ Zudem befindet sich bei J. Müller in Brake Europas größte zusammenhängende Siloanlage, in der täglich 20.000 Tonnen Agrargüter gelöscht werden können. Die Dimensionen der Lagerfazilitäten an beiden Standorten sind ebenfalls etwas größer: Sie fassen in Bremen und Brake insgesamt rund 630.000 Tonnen.
Last but not least bietet das Unternehmen eine große Bandbreite an Services für Agrarprodukte. Dazu zählen die Produktbehandlung, also das Trocknen, Aspirieren, Brechen, Mahlen und Schroten, ferner das separate Handling und die Lagerung von GVO-freien (gentechnisch nicht veränderten) und Ökoprodukten sowie von Düngemitteln und Futtermittelzusatzstoffen. „Diese Leistungen sind zwar bereits automatisiert, aber auch am Agrarterminal wollen wir die digitalen Strukturen ausbauen“, betont Müller. „Unser Leitmotiv lautet schließlich: ‚Werte bewahren – den Wandel leben.‘ “ Ein Motto, mit dem J. Müller sich auf den Weg in die nächsten 200 Jahre macht. (cb)