Nach einer Boomphase im vergangenen Jahr haben unter anderem die Entwicklung der globalen Finanzmärkte, der steile Anstieg der Inflation und die daraus resultierenden Unsicherheiten im Zusammenspiel dafür gesorgt, dass die wichtigen Player auf dem Logistikimmobilienmarkt derzeit eher zurückhaltend agieren. Doch sie haben vielschichtige Ideen, wie es weitergehen soll – vor allem mit einer stärkeren Fokussierung auf Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Attraktivitätssteigerung.
„Die Logistik ist vielerorts nicht gern gesehen“
Ähnlich wie Koepke sieht auch Björn Sundermann, Geschäftsführer von Robert C. Spies Industrial Real Estate, den Grund für die aktuelle Marktlage in einem „Gesamtkonglomerat aus gestiegenen Finanzierungskosten und geringer Finanzierungsbereitschaft“. Dabei verweist er unter anderem darauf, dass die Mietpreise für Logistik- und Industrieimmobilien aufgrund der wachsenden Renditen in den vergangenen 18 Monaten um bis zu 30 Prozent gestiegen seien. Für den Stadtstaat Bremen hat er im Zuge dieser Gemengelage eine besondere Situation ausgemacht. „Auch wenn Bremen immer schon von der Logistik gelebt hat, so können wir uns hier nicht ohne Ende ausdehnen, sondern müssen über entsprechende Lösungen nachdenken, wie wir der Flächenknappheit begegnen.“ Als zwei Optionen zieht Sundermann dazu die Realisierung des seit Langem geplanten, aber bisher nicht umgesetzten Gewerbegebiets Achim-West sowie eine Erweiterung des GVZ Bremen in Betracht. Aber auch ein Ausweichen auf benachbarte Bundesländer sieht er als unumgängliches, realistisches Szenario und verweist dabei beispielsweise auf Projekte, an denen Robert C. Spies Industrial Real Estate beteiligt ist.
Für Koepke ist das Immobilienjahr 2023 vor allem von drei Faktoren geprägt: einer wachsenden Flächenknappheit, steigenden Mietpreisen und vielfältigen Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs. „Der Platz für neue Logistikimmobilien ist rar, und der Leerstand an den Top-5-Standorten liegt gerade einmal bei einem Prozent. Allerdings ist die diesbezügliche Lage in Norddeutschland noch deutlich entspannter als im Süden“, berichtet Koepke. Was das Thema Energieeinsparung betrifft, so hat der Manager eine deutliche Entwicklung weg von der Gasbeheizung von Immobilien hin zu elektronischen Lösungen durch Wärmepumpen ausgemacht. „Es gibt aber auch andere nachhaltige Konzepte. Die Verantwortlichen beim C3 Bremen setzten beispielsweise zur Stromversorgung auf eine XXL-Photovoltaikanlage auf dem Dach des Logistikzentrums“, so Koepke (siehe dazu Seite 14). Zudem werde der Ruf nach sogenannten Environmental-Social-Governance (ESG)-Konzepten, die die Berücksichtigung von Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Sozialfragen in der Unternehmensführung berücksichtigen, in der Branche immer lauter. „Das ist gut für die Umwelt, bringt aber viele neue Anforderungen für die Entwickler und erhöhte Kosten mit sich“, blickt Koepke in die Zukunft.
„Der Platz für neue
Logistikimmobilien ist rar.“
Rainer Koepke, Head of Industrial & Logistics Germany bei CBRE
Viele ehemalige Industrieflächen in exzellenter Lage
Fred-Markus Bohne, Managing Partner bei Panattoni Deutschland und Österreich, führt die gegenwärtige Zurückhaltung vieler Akteure im Markt insbesondere auf die schwer absehbare weitere Entwicklung zurück. „Die Verantwortlichen müssen wissen, wo die Reise hingeht, und benötigen eine Verlässlichkeit bei ihrer Kalkulation, die es derzeit einfach nicht gibt“, so Bohne. Gleichzeitig verweist er darauf, dass Panattoni als führender Projektentwickler für Industrie- und Logistikimmobilien in Europa trotz der besagten Zurückhaltung im ersten Halbjahr über 500.000 Quadratmeter Nutzfläche an Kunden in Deutschland vermittelt habe. Im Juni feierte sein Unternehmen zum Beispiel den ersten Spatenstich für das City Dock in der Metropolregion Hannover. Auf dem 47.000 Quadratmeter großen Brownfield, das nach langjähriger Nutzung als Chemiestandort aufwendig saniert und revitalisiert wurde, sollen bis Februar 2024 rund 24.000 Quadratmeter neue Gewerbefläche entstehen. „Die Entwicklung von Logistikimmobilien im Industriebereich ist zwar unser Kerngeschäft, aber auch das kleinere Nebenprodukt City Dock kommt gut an. Dabei können Kunden – vom Anbieter von Elektrorollern über den E-Commerce-Spezialisten bis hin zum Tischler – ihre Flächen zwischen 800 und 2.000 Quadratmetern Größe und in mehreren zusammenhängenden Einheiten ganz nach ihren spezifischen Wünschen bewirtschaften“, erläutert Bohne. Insgesamt habe man bereits mehr als ein Dutzend City-Dock-Projekte in Deutschland realisiert.
Bei dem angesprochenen Projekt in Hannover legt Panattoni besonderen Wert auf den Nachhaltigkeitsaspekt. So erfolgt dort beispielsweise eine Vorrüstung des Dachs für eine Photovoltaikanlage. Außerdem sind eine fossilfreie Beheizung der Immobilie mit einer Luftwärmepumpe und ein nachhaltiges Außenanlagen-Begrünungskonzept angedacht. „Für mich sind dies längst keine Highlights mehr, sondern die Standardanforderungen, die der Markt uns abverlangt“, macht Bohne deutlich. Ähnlich klar umreißt er auch die Brownfieldstrategie, die bei Panattoni gegenwärtig mehr als 80 Prozent des Geschäftsvolumens ausmacht. „Deutschland ist eine Industrienation. Deshalb gibt es hier viele ehemalige Industrieflächen in exzellenter Lage. Solange die Schäden aus der Vergangenheit dokumentiert und die Projekte dadurch kalkulierbar sind, macht es aus meiner Sicht mehr Sinn, sich auf Brownfields als auf Greenfields zu konzentrieren“, bekennt der Manager.
Erbbaurecht – sinnvoll, aber nicht unproblematisch
Auch Malte Wilkens, geschäftsführender Gesellschafter der Peper & Söhne Unternehmensgruppe, sieht eine klare Tendenz hin zu mehr Brownfield- als Greenfieldlösungen. Darüber hinaus hat der Manager des in Bremen ansässigen Unternehmens, dessen Kerngeschäfte die Projektentwicklung und das Immobilienmanagement sind, im Markt eine verstärkte Fokussierung auf mehr Digitalisierung und mehr Nachhaltigkeit ausgemacht. „In der Branche herrscht derzeit noch eine sehr analoge Struktur, bei der zum Beispiel Bauanträge in siebenfacher Ausführung gedruckt werden müssen. Wir sind in Sachen Digitalisierung aber bereits gut aufgestellt, auch dank des Einsatzes von Proptech-Tools wie ‚Cloud-brixx‘, die uns in der Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern unterstützen.“ Ebenso setze man bereits seit Längerem auf den Einsatz von modernen Softwarelösungen sowie intelligenter Sensortechnik in den Immobilien, die in Verbindung mit digitalen Fühlern und Verbrauchern wichtige Daten über das Objekt liefern, unter anderem zum Gas- und Stromverbrauch sowie zu Boden- und Anpralllasten. Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit verweist Wilkens auf das Logistikzentrum im niedersächsischen Langwedel, das derzeit unter Regie von Peper & Söhne fertigstellt wird und als erstes Logistikzentrum im Nordwesten Deutschlands ohne fossile Brennstoffe auskommen soll. „Wir streben hier unser erstes DGNB-Zertifikat in Platin an. Die Entscheidung darüber wird im vierten Quartal dieses Jahres fallen“, so Wilkens.
Weitere Projekte, an denen Peper & Söhne maßgeblich mitwirkt beziehungsweise mitgewirkt hat, sind die 13.000 Quadratmeter große Multi-User-Halle Atlantic One, die 2021 im JadeWeserPort fertiggestellt und in diesem Jahr von P3 Logistic Parks übernommen wurde, und eine 15.000 Quadratmeter große Industrie- und Logistikhalle, die seit 2022 von dem VW-Zulieferer Grupo Sesé genutzt wird. Darüber hinaus befinden sich laut Wilkens derzeit mehrere Projekte, etwa im Automotivebereich, im Gewerbepark Hansalinie in der Umsetzung. Trotz dieser erfolgreichen Aktivitäten wolle Peper & Söhne in Zukunft aber keine Projekte mehr in den Häfen realisieren. „Der Grund dafür sind die Erbbaurechtsvergabe und die damit verbundene Administration“, sagt Wilkens und schiebt folgende Erklärung hinterher: „Grundsätzlich haben wir kein Problem mit dem Erbbaurecht, wir halten es sogar für absolut richtig, dass der Staat bei strategisch bedeutsamen Flächen die Kontrolle behält. So wie es momentan praktiziert wird, ist es aber absolut feindlich für Projektentwickler und Investoren.“
„Von den Niederlanden könnte man sich eine Scheibe abschneiden.“
Björn Sundermann, Geschäftsführer von Robert C. Spies Industrial Real Estate
„Die Verantwortlichen benötigen eine Verlässlichkeit bei ihrer Kalkulation, die es derzeit nicht gibt.“
Fred-Markus Bohne, Managing Partner bei Panattoni Deutschland und Österreich
„In der Branche herrscht noch eine sehr analoge Struktur.“
Malte Wilkens, geschäftsführender Gesellschafter der Peper & Söhne Unternehmensgruppe
Brownfields als „Baufeld der Zukunft“
„Auch wenn sich die Investoren momentan bei Kapitalanlagen in neue Gewerbeimmobilien zurückhalten, ist der Bedarf an innovativen, nachhaltigen Logistikimmobilien weiter da“, so René Kaldenhoven, Geschäftsführer von Goldbeck Nord in Hamburg. Zum Leistungsspektrum seines Unternehmens gehören unter anderem die Planung und Realisierung von Logistik- und Industriehallen. Derzeit ist Goldbeck an über 40 Standorten in Deutschland aktiv, darunter bei den bereits angesprochenen Projekten P3 Logistics Park und Atlantic One im JadeWeserPort und der Hansalinie 3 in Bremen. Mit Blick auf die verstärkte nachhaltige Ausrichtung der Branche sagt Kaldenhoven: „Ökologie und Ökonomie sind kein Widerspruch. Auch wenn viele Akteure die Interessen der Wirtschaft und des Klimaschutzes als gegensätzlich wahrnehmen, so herrscht oft Konsens, dass Net Zero erreicht werden muss.“ Dazu müsse die Branche aber innovative, zukunftsfähige Konzepte liefern, die in der Realität skalierbar anwendbar seien. Im Zuge dieser Bemühungen hat Goldbeck – ähnlich wie Peper & Söhne bei einigen seiner Projekte – bei der Multi-User-Halle Atlantic One zahlreiche Sensoren verbaut, um möglichst viel über die Belastung von Sohlen und Überladebrücken zu lernen und viele Daten zur Immobilie zu generieren. „So verstehen wir Immobilien noch besser und entwickeln mithilfe der Sensorikergebnisse den nachhaltigen Gebäudebetrieb der Zukunft. Eines unserer Ziele ist es, der Immobilienexperte für Elektromobilität zu werden“, umreißt Kaldenhoven und betont dabei, dass bereits die Planung eines Gebäudes bei Goldbeck vollständig digital erfolge, um daraus wichtige Informationen über den gesamten Lebenszyklus der Immobilie abzuleiten. Vor diesem Hintergrund bezeichnet er Brownfields als „das Baufeld der Zukunft“. „Es ist nachhaltiger, vorhandene Infrastrukturen zu nutzen. Deswegen befürworten wir die Bebauung von Brownfields, zumal Greenfields auch immer weniger zur Verfügung stehen.“ (bre)
„Der Bedarf an innovativen, nachhaltigen Logistikimmobilien ist weiter da.“
René Kaldenhoven, Geschäftsführer
bei Goldbeck Nord
Die Lage aus Sicht der Hafengesellschaft
Zwei NPorts-Experten und ihre Erfahrungen rund um Flächenmangel, Kundenanforderungen, Nachhaltigkeit und die Bedeutung von Standortprofilen
Mit 15 Hafenstandorten ist NPorts der größte Betreiber öffentlicher Seehäfen in Deutschland – und damit ein echter Experte in Sachen Logistik- und Spezialimmobilien. Über die aktuelle Lage und den Flächenmangel sagt Dirk Leibfried, Senior Manager Marketing und Sales bei NPorts: „Hafenflächen sind endlich, sie können nicht beliebig vermehrt werden. Die Entwicklung hat natürliche und finanzielle Grenzen.“ Deshalb sei es notwendig, dass ansiedlungswillige Unternehmen einen direkten Bezug zum Hafen haben. „Die Rechnung ist einfach: Mehr Umschlag und zusätzliche Arbeitsplätze sorgen für mehr Wertschöpfung“, so Leibfried. Ein gutes Beispiel dafür sei der Hafen Cuxhaven. Der Multi-Purpose-Hafen expandiere vor allem im Offshore-Bereich. Zudem sorgen die steigenden Anforderungen verschiedener Branchen wie des Autoumschlags oder der Windkraftindustrie dafür, dass Erweiterungen wie der Bau der Liegeplätze 5 bis 7 erforderlich werden. „Die Baugenehmigung liegt vor. Sobald die Finanzierung steht, werden diese Flächen dazu beitragen, die Zwischenlagerung von Windkraftkomponenten zu ermöglichen und den Hafen an anderer Stelle zu entlasten“, blickt Leibfried nach vorn.
Für Hanne Hollander, Leiterin Immobilien bei NPorts in Emden, steht fest, dass Hafenflächen heutzutage nicht mehr ohne Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsgedankens vergeben werden dürfen. Außerdem müssen die daraus resultierenden Projekte einen klaren Bezug zum Profil des Standorts aufweisen und gleichzeitig im Einklang mit dem Umfeld, der Kommune und der gesamten Region stehen. In Emden wurden Ende 2022 unter genau diesen Aspekten die Flächen im östlichen Bereich des Wybelsumer Polders und am Rysumer Nacken für hafenaffine Cluster für erneuerbare Energien ausgeschrieben. „Unser Fokus liegt auf der nachhaltigen Ausrichtung der gesamten Flächen, um Leuchtturmprojekte für nachhaltige Gewerbe- und Industrieansiedlungen zu schaffen“, erklärt Hollander. Eine Ausrichtung, die am Markt ankommt, denn es gab mehr Interessenten als Flächen, die vor Ort angeboten wurden. Für sie und ihre Kollegen an den 15 Standorten ist die Suche nach passenden Kunden jedoch eine echte Herausforderung, bei der das Erbbaurecht eine maßgebliche Rolle spielt. Denn im Wesentlichen sind es Pachtverträge, die den Kunden eine langfristige Nutzung einräumen, während die Hafengesellschaft NPorts Eigentümerin bleibt. Das ermöglicht den Häfen, langfristig die Entwicklung zu steuern und ihre besondere Verantwortung für die Entwicklung der Region wahrzunehmen. (bre)
Marketing und Sales bei NPorts
bei NPorts in Emden