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Erkenntnisgewinn vorprogrammiert

Nein, AMISIA hat nichts mit Amnesie zu tun. Der Begriff steht vielmehr für „Advanced Port Maintenance: Intelligent, Sustainable, Innovative and Automated Dredging“ – und damit für ein neues Forschungsprojekt zur Entwicklung eines hoch automatisierten Baggerschiffs.

Fotos: NPORTS, PRIVAT, BOSKALIS-HIRDES; Grafik: NIEDERSACHSEN PORTS GMBH & CO. KG

Um einen reibungslosen Schiffsverkehr zu gewährleisten, führt der 67 Meter lange Hopperbagger „Anna“ im Auftrag von NPorts regelmäßig Unterhaltungsarbeiten im Emder Hafen durch. Das Verfahren, mit dem das Schiff seit vielen Jahren der Verschlickung in dem tideabhängigen Hafen vorbeugt, nennt sich Rezirkulation. Dabei wird der Schlick passiv mit Luftsauerstoff in Verbindung gebracht, wodurch mikrobakterielle Prozesse angeregt werden, die den Schlick in der Schwebe halten. Auf diese Weise kann ein Absetzen des Materials auf dem Grund verzögert werden, was eine ständige Durchfahrbarkeit des Hafens für Schiffe gewährleistet. Ein weiterer Vorteil: Seit 2002 wird so auf Entnahmebaggerungen und eine anschließende Verklappung oder landseitige Deponierung verzichtet.

Einsatz digitaler Navigation

Die Erfahrungen rund um die Unterhaltung im Emder Hafen und das Rezirkulationsverfahren sollen nun im Zuge des IHATEC-geförderten Forschungsprojekts AMISIA auf die Konzeption eines autonomen Baggerschiffs übertragen werden. „Wir haben das Ziel, das Sedimentmanagement im Emder Hafen unter Einsatz digitaler Navigation und automatisierter Systeme umweltfreundlicher und zugleich produktiver zu gestalten. Dabei gehen wir absolut ergebnisoffen an den Start“, umreißt Martina Ritter, Projektmanagerin bei NPorts und verantwortlich für die administrative Projektabwicklung bei AMISIA, die Aufgabe. „Unsere Überlegungen gehen von der Annahme aus, dass wir bereits heute über nahezu alle erforderlichen Technologien verfügen. Wir müssen diese aber noch in der bestmöglichen Form miteinander kombinieren“, ergänzt Matthias Steidel, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) im Institut Systems Engineering für zukünftige Mobilität.

Drei Automatisierungsstufen

Bis zum Ende der dreijährigen Projektlaufzeit von AMISIA im September 2024 wolle man daher unter anderem drei Automatisierungsstufen entwickeln und in einem Feldtest erproben: Einer ersten Stufe, in der das Schiff von Bord aus navigiert wird, soll eine zweite Stufe folgen, in der das Schiff von Land aus gesteuert wird. In diesen Phasen ist jederzeit noch eine Person mit an Bord, um im Problemfall einzugreifen. In der dritten Stufe soll das Schiff dann so weit automatisiert sein, dass es selbstständig auf auftretende Probleme reagieren kann. Jede einzelne Stufe wird daraufhin geprüft, inwiefern das getestete Verfahren am besten für den Einsatz im Emder Hafen geeignet ist. Für die Erprobung und die Simulation der drei Automatisierungsstufen wird ein spezielles Forschungsschiff eingesetzt.

„Ein zentrales Element in diesem Automatisierungsprozess wird die Fernsteuerung einnehmen“, erläutert Steidel. Zudem sollen Assistenzsysteme die meisten navigatorischen Aufgaben übernehmen, während landseitig erfahrende Nautiker mit Überwachungs- und Fernsteuerungsmöglichkeiten dem Aspekt der Sicherheit Rechnung tragen werden. Das Forschungsschiff, das für die Testfahrten zum Einsatz kommt, verfügt bereits über die notwendige Technik, zum Beispiel Kollisionsvermeidungssensoren und Bahnführungssysteme. „Am Ende dieses Prozesses könnte das Konzept eines Schiffes stehen, dass die Baggerarbeiten weitgehend automatisiert durchführt und dabei den Abstand zu Kaimauern und anderen Objekten so steuert, wie dies bereits bei Fahrzeugen in der Automobilbranche der Fall ist“, so Steidel. Dabei hat er unter anderem Technologien wie LIDAR im Hinterkopf. Mit dieser Methode zur Abstands- und Geschwindigkeitsmessung lassen sich seiner Meinung nach Objekte auf der Fahrbahn, wie Hindernisse oder vorausfahrende Fahrzeuge, auch unter schwierigen Umgebungsbedingungen ergänzend zum Radar detektieren. „Ein wichtiger Aspekt in diesem Projekt ist es für uns, die Automatisierung sicher und zuverlässig zu gestalten. Hierzu erarbeiten wir auch Methoden, die mithilfe von Simulationen und in Feldtests mit Forschungsbooten überprüft werden“, betont Steidel.

Energiebedarf auf dem Prüfstand

Darüber hinaus sieht das Konzept von AMISIA einen alternativen Schiffsantrieb vor, um die Unterhaltung des schwimmenden Baggers in Zukunft CO2-ärmer gestalten zu können. „Die Palette der Antriebsalternativen wird vom Projektteam unvoreingenommen analysiert. Sie reicht dabei von grünen Gasen über Methanol bis hin zu Mischlösungen aus Verbrennungsmotor und Batteriestrom – sogenannten Hybridantrieben. Aber auch über einen vollelektrischen Antrieb denke man nach“, so Ritter. Um diese Gedanken zu konkretisieren, seien allerdings noch umfangreiche Tests erforderlich, bei denen sich zeigen soll, wie hoch der tatsächliche Energiebedarf eines autonomen Schiffes dieser Art sein muss.

Das Volumen von AMISIA beläuft sich auf 3,23 Millionen Euro und wird zu 78 Prozent vom BMVI über das IHATEC-Förderprogramm unterstützt. Projektträger ist TÜV Rheinland Consulting. Bei dem Projekt arbeitet NPorts mit zwei Verbundpartnern zusammen. Der Verbundpartner DLR erstellt unter anderem ein Konzept zur Automatisierung des Baggerschiffs, während Mareval den schiffbaulichen Entwurf und die Konzeption zur Automatisierung der Rezirkulation übernimmt.

Am Ende des gemeinsamen Weges soll dann eine Kombination aus Arbeitsschiff und zukunftsfähigem Einsatzkonzept auf dem Tisch liegen, die „Erkenntnisse liefert, die auch über den Hafen Emden hinaus genutzt werden können.“ So hat es zumindest NPorts-Geschäftsführer Holger Banik zum Projektstart im September vergangenen Jahres formuliert. Damit wäre ein weiterer Schritt in Richtung nachhaltige Hafenunterhaltung getan, der überdies zeigen würde, dass AMISIA nichts mit Gedächtnisverlust, sondern viel mehr mit Erkenntnisgewinn zu tun hat. (bre)

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Martina Ritter, Projektmanagerin bei NPorts

Martina Ritter, Projektmanagerin bei NPorts

Matthias Steidel, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR)
Matthias Steidel, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR)

Rezirkulationsverfahren

Durch das Rezirkulationsverfahren wird Fluid Mud (Flüssigschlick) im Laderaum eines Baggerschiffs mit Luftsauerstoff in Verbindung gebracht. So werden kontinuierlich sauerstoffreiche Verhältnisse im Fluid Mud sichergestellt, die von Bakterien benötigt werden, um Schleime zu produzieren. Diese Schleimproduktion wiederum erhält die weiche Konsistenz des Fluid Muds. Das Verfahren sorgt dafür, dass das Sediment sich nicht auf dem Boden absetzt, in der Schwebe gehalten wird und jederzeit von Schiffen durchfahren werden kann.

1: Die Pumpe drückt Material unten in den Laderaum (Bereich hoher Konzentration), die Abgabe erfolgt über einen Überlauf (Bereich niedriger Konzentra­tion).
ODER
2: Die Pumpe drückt Material in den oberen Lade­bereich, die Abgabe erfolgt dosiert über einen Balken­verschluss oder über Klappen im Schiffsrumpf.