Interview mit Dr. Söhnke Maatsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) und Leiter des dortigen Kompetenzbereichs Maritime Intelligence, zum Thema Hinterlandverkehre
Fotos: bremenports, privat
Herr Dr. Maatsch, Sie haben die Studie „Aktualisierung der Analyse und Prognose des See- und Hinterlandverkehrs der bremischen Häfen“ maßgeblich betreut. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse daraus?
Dr. Maatsch: Im Containerverkehr haben wir gesehen, dass die Umschlagszahlen der vergangenen Jahre zwar insgesamt rückläufig waren, der Hinterlandverkehr jedoch mit Ausnahme der Jahre 2019 und 2020 – kontinuierlich gewachsen ist. Die schleichenden Marktanteilsverlagerungen bis 2018 betrafen vor allem Transhipmentverkehre. Im Automobilumschlag hat der Import wieder deutlich zugenommen, während sich der Export eher rückläufig zeigte. Dieser Trend dürfte sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen.
Was bedeuten diese Ergebnisse für die Wettbewerbssituation der bremischen Häfen?
Dr. Maatsch: Neben der seewärtigen Erreichbarkeit hängt die Wettbewerbsfähigkeit der bremischen Häfen wie in kaum einem anderen Hafen von der Bahnhinterlandanbindung ab. Dies gilt sowohl für den Containerumschlag, wo Bremerhaven mit einem Bahnanteil von 46 Prozent zu den führenden Häfen in der Nordrange gehört, als auch für den Automobilumschlag und andere Umschlagssegmente.
Welche Rolle spielen die Häfen in Tschechien, der Slowakei und in Ungarn in diesem Kontext?
Dr. Maatsch: Unsere Zahlen für den Containerhinterlandverkehr zeigen, dass diese Märkte überwiegend per Bahn versorgt werden. Dementsprechend ist eine gute Bahnanbindung in diese Regionen besonders wichtig. Tschechien ist dabei der mit Abstand wichtigste Markt für Bremerhaven – mit einem Volumen von knapp 200.000 TEU. Ungarn und die Slowakei werden inzwischen weitestgehend über die Südhäfen versorgt.
Bedeutet das, dass die Südhäfen gegenüber den Nordhäfen in den vergangenen Jahren sichtbar gepunktet haben?
Dr. Maatsch: Die Wettbewerbsvorteile der Südhäfen sind regional stark begrenzt, wie unsere Beobachtungen zu den Verschiebungen der Marktanteile zeigen. Da ist vor allem der österreichische Markt zu nennen, der zunehmend umkämpft ist. Hier gibt es starke regionale Unterschiede mit einem hohen Marktanteil für die deutschen Häfen, zum Beispiel im Salzburger Land, und einer starken Position der Südhäfen im südlichen Österreich.
Dr. Söhnke Maatsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) und Leiter des dortigen Kompetenzbereichs Maritime Intelligence
Wie bewerten Sie die gegenwärtige Rolle des Hafens Koper in Slowenien? Manche Experten munkeln, er wäre eine Gefahr für die bremischen Häfen. Teilen Sie diese Ansicht?
Dr. Maatsch: Auch hier muss man in Betracht ziehen, welche Hinterlandregionen Bremerhavens konkret unter Wettbewerbsdruck geraten könnten. Die geografische Lage Kopers ist für das südliche Bayern durchaus vorteilhaft. Von München nach Koper sind es etwa 300 Kilometer Luftlinie, nach Bremerhaven etwa 600. Von Prag sind es dagegen circa 500 Kilometer in beide Häfen, sodass Koper keinen geografischen Vorteil hat. Mit dem Ausbau der europäischen Kernnetze wird sich die Qualität der Bahnanbindung Kopers an die Märkte nördlich der Alpen verbessern. Es ist also damit zu rechnen, dass Koper vor allem im Asienverkehr weitere Marktanteile hinzugewinnen wird. Doch auch wenn Bayern und Mittelosteuropa sehr wichtige Märkte für die bremischen Häfen darstellen, machen sie zusammengenommen nur etwa ein Viertel des gesamten Hinterlandverkehrs und elf Prozent des gesamten Containerumschlags der bremischen Häfen aus. Gewinnt Koper hier Marktanteile hinzu, so werden sich die Marktanteilsverluste der bremischen Häfen im einstelligen Bereich bewegen – verteilt über mehrere Jahre. Insofern ist die Gefahr begrenzt. (bre)
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