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„Deutschland denkt häufig zu standortfokussiert“

Wie weit sind unsere Häfen bei der Umsetzung des Kooperationsgedankens? Professor Frank Ordemann und Professor Jan Ninnemann geben dazu ihre Einschätzungen.

Fotos: Ostfalia, HSBA
LOGISTICS PILOT: Glauben Sie, dass eine Kooperation der norddeutschen Seehäfen die richtige Antwort auf den Verlust der Markanteile gegenüber den Häfen in Antwerpen und Rotterdam ist?

Ordemann: Das ist aus meiner Sicht die einzig wahre Antwort.

Ninnemann: Im Containersegment ist eine engere Kooperation der Häfen Hamburg, Bremen/Bremerhaven und Wilhelmshaven nur bedingt zielführend. Insbesondere Hamburg und Bremerhaven stehen hier vor vielfältigen Herausforderungen, denen sich allen voran die Terminalbetreiber zunächst allein stellen müssen. Dies betrifft unter anderem die im Vergleich zu den Konkurrenten in Rotterdam und Antwerpen deutlich höheren Umschlagskosten bei gleichzeitig geringerer Produktivität.

LOGISTICS PILOT: Wo ist für Sie der Kooperationsgedanke schon deutlich sichtbar und welche Maßnahmen müssten aus Ihrer Sicht in den nächsten Monaten verstärkt in Angriff genommen werden, um diese Zusammenarbeit weiter zu intensivieren?

Ordemann: Die Hafenkooperation, so wie ich sie verstehe, nämlich die operative Zusammenarbeit zwischen den Containerterminals unserer drei großen Containerhäfen, ist für mich überhaupt noch nicht sichtbar. Meines Wissens liegen die im Jahr 2020 begonnenen Gespräche zwischen den Terminalgesellschaften und den später hinzugezogenen zuständigen Politikern auf Eis. Der erste Schritt für eine solche Kooperation ist zunächst einmal die Erkenntnis der daran beteiligten Entscheider, dass dadurch alle drei Häfen profitieren würden und jeder einzelne Hafen im Wettbewerb zu den Westhäfen größere Marktanteile gewinnen wird, als wenn sie weiterhin im Sinne eines „business as usual“ jeder für sich weitermachten. Das ist zunächst einmal die wichtigste Erkenntnis, zu der die für die Häfen Verantwortlichen gelangen müssen. Ich habe da meine Zweifel, ob das inzwischen bei allen der Fall ist. Alles Weitere kann man so machen, wie ich es in meiner Studie zu diesem Thema aus dem Jahr 2020 in sieben Schritten skizziert hatte, oder auch anders. Das sind dann Details.

Ninnemann: Der Kooperationsgedanke entwickelt sich vor allem in Ladungssegmenten abseits des Containers. Die deutschen Seehäfen gelten zu Recht als Motor der Energiewende. Um den hiermit einhergehenden Herausforderungen bestmöglich zu begegnen, ist es erforderlich, sämtliche Ressourcen an allen deutschen Standorten in engem Schulterschluss zu nutzen. Dies gilt unter anderem für den Import von grüner Energie – beispielsweise Wasserstoff oder Wasserstoffderivate wie Ammoniak – oder für die Schaffung von Kapazitäten, um die Ausbauziele im Bereich der Offshore-Windenergie zu erreichen.

„Die Hafenkooperation, so wie ich sie verstehe, …,
ist überhaupt noch nicht sichtbar.“

Prof. Dr. Frank Ordemann, Leiter des Instituts für Logistikmanagement an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Salzgitter. Er hat im Jahr 2020 eine Studie zur Seehafenkooperation der norddeutschen Häfen mit dem Titel „Deutsche Häfen verpassen Wettbewerbschancen“ verfasst.

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„Es fehlen Planungskapazitäten sowie ein belastbarer Rechtsrahmen,
um Projekte zügig zu realisieren.“

Prof. Dr. Jan Ninnemann, Professor für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Studiengangsleiter BSc Logistics Management an der Hamburg School of Business Administration (HSBA)

LOGISTICS PILOT: Welche Aufgabe hat die Politik in diesem Kontext, und wie sollte sie die Kooperation der deutschen Seehäfen unterstützen?

Ordemann: Eine solche Hafenkooperation kann nur gelingen, wenn Politik und Wirtschaft entschlossen zusammenwirken und an einem Strang ziehen. Bei der HHLA und der BLG Group als den beiden großen Playern sind die Länder Mehrheitseigentümer. Mit ihren Mehrheiten in den Aufsichtsräten sind sie gefordert, ihre Interessen im Sinne der Hafenkooperation zu vertreten und diese zu begleiten. Ebenso sind natürlich auch vor allem die Vorstände dieser beiden Gesellschaften gefordert. Darüber hinaus gibt es das Land Niedersachsen als Miteigentümer des hierbei zu beteiligenden JadeWeserPorts. Inwieweit weitere Miteigentümer einzelner Terminals dabei gefordert sein werden, ist eine Frage der Ausgestaltung dieser Kooperation.

Ninnemann: Die strategische Entwicklung und der Ausbau der Häfen sind heute meist Ländersache. Küstenländer wie Hamburg, Bremen und Niedersachsen stehen dabei vor der Herausforderung, die erforderlichen Investitionen in den Erhalt und den Ausbau der Standorte mehr oder weniger allein finanzieren zu müssen. Die hierfür verfügbaren Mittel reichen vielfach nicht aus, um die zum Teil ambitionierten Pläne der Bundesregierung zum Beispiel im Bereich der Energiewende unterstützen zu können. Gleichermaßen fehlen Planungskapazitäten sowie ein belastbarer Rechtsrahmen, um Projekte zügig zu realisieren. Hier sind die Häfen auf Unterstützung aus Berlin angewiesen.

LOGISTICS PILOT: In vielen unserer Nachbarländer sind Hafenkooperationen schon längst gelebte Realität. Hat man hierzulande diese Entwicklung verschlafen?

Ordemann: Meine Vermutung ist, dass sich insbesondere die Entscheider in Hamburg schwertun mit der Vorstellung, dass sie von der Hafenkooperation profitieren würden. Ich denke, dass es dort nicht wenige gibt, die glauben, dass sie mit der Elbvertiefung einen Vorteil haben, um im Wettbewerb gegenüber ihren deutschen Konkurrenten die Nase vorn zu behalten. Das ist aber ein Irrglaube, so wie es überhaupt ein Irrglaube ist, dass man mit den Flussvertiefungen der Elbe und Außenweser dem eigenen Hafen eine Zukunftsperspektive bieten kann. Diese Maßnahmen sind dazu gänzlich ungeeignet. Sie sind lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein, der ihnen etwas mehr Ladungsumschlag bringen kann. An den grundsätzlichen Strukturen, nämlich dass sie damit immer noch nicht in der Lage sind, voll beladene große Containerschiffe in den Häfen Bremerhaven und Hamburg ein- beziehungsweise auslaufen zu lassen, ändert das gar nichts. Das ist nur in Kombination mit dem JadeWeserPort möglich. Ich denke, dass Hamburg von der Hafenkooperation mengenmäßig am meisten profitieren würde, der JadeWeserPort würde relativ gesehen am meisten profitieren, und Bremerhaven läge irgendwo dazwischen. Also ja, man hat diese Entwicklung hierzulande bis heute verschlafen. Das Thema hätte man mit Überzeugung und Kraft bereits seit dem Jahr 2014 angehen müssen.

Ninnemann: Mit Blick auf Belgien und die Niederlande muss man das definitiv mit Ja beantworten. Erfolgreiche Hafenkooperationen finden dabei vielfach insbesondere auf der Ebene der öffentlichen Hafenverwaltungen statt. Durch eine enge Zusammenarbeit gelingt es unseren Nachbarn, vielfältige Synergien, zum Beispiel durch die gemeinsame Nutzung von Equipment oder eine standortübergreifende Vermarktung, zu erzielen. Auch die Wahrnehmung auf nationaler wie internationaler Ebene kann hierdurch gesteigert werden. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Kooperation bildet die Fähigkeit, Einflussmöglichkeiten auf die Hafenentwicklung zu teilen. Hier denken wir in Deutschland häufig noch zu standortfokussiert. (bre)

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