Singapur bedeutet so viel wie Löwenstadt. Ebenso gehört die Metropole zu den vier sogenannten Tigerstaaten, die sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch ein enormes Wirtschaftswachstum auszeichneten. Da überrascht es kaum, dass der Stadtstaat heute als großes Tier gilt – vor allem, wenn es um Finanzen und weltumspannenden Warenhandel geht.
Fotos: iStock/baona, istockphoto/primeimages, CMA CGM, Nippon Express Global Logistics, Symrise
Mit einem Netzwerk von 26 bilateralen und regionalen Freihandelsabkommen ist Singapur fest in die Weltwirtschaft integriert. Darüber hinaus zählt das Land für deutsche Unternehmen zu den wichtigsten Handelspartnern in Asien. „Singapur ist Deutschlands größtes Exportziel in Südostasien. Der bilaterale Warenhandel bezifferte sich im Jahr 2020 auf rund 11 Milliarden Euro“, bilanziert Laurence Bay, Botschafter der Republik Singapur in Berlin. Laut Auswärtigem Amt beliefen sich die singapurischen Exporte in 2020 dabei auf rund 4,7 Milliarden Euro und die deutschen Exporte nach Singapur auf rund 6,1 Mil-liarden Euro. Parallel zu diesen Zahlen verweist Laurence Bay auf die guten Standortbedingungen in dem Stadtstaat und auf die mehr als 2.000 deutschen Unternehmen, die dort tätig sind. Einen maßgeblichen Garanten für den wirtschaftlichen Erfolg des südostasiatischen Landes sieht er – neben der Bedeutung als drittgrößtem Petrochemie-Raffineur der Welt – im Hafen von Singapur: „Mit seinen Verbindungen zu 600 Häfen in über 120 Ländern ist er nicht nur der zweitgrößte Hafen der Welt (nach Shanghai, Anm. d. Red.), sondern auch ein wichtiger Knotenpunkt in der globalen Versorgungskette und ein entscheidender Teil unserer internationalen Konnektivität. Da wir nur über begrenztes Land und keine natürlichen Ressourcen verfügen, ist unser Status als globales maritimes Drehkreuz eine schiere Notwendigkeit für unser wirtschaftliches Überleben“, erläutert der Botschafter.
Um seine maritime Vormachtstellung zu sichern, plant Singapur langfristig. Dazu gehört auch der Tuas Megaport, an dem bereits seit 2015 gearbeitet wird. „Nach seiner Fertigstellung in den 2040er-Jahren wird der gesamte Containerhafenbetrieb an einem einzigen Standort lokalisiert sein und Singapur bis zu 65 Millionen TEU pro Jahr umschlagen können – fast das Doppelte unserer derzeitigen Containerkapazität. Die Zusammenführung aller Anlagen in Tuas wird die Transporte zwischen den heute noch über die Insel verteilten Terminals und damit auch die Treibhausgasemissionen erheblich reduzieren“, ist sich Bay sicher.
„Singapur ist Deutschlands größtes Exportziel in Südostasien.“
Laurence Bay, Botschafter der Republik Singapur in Berlin
Einen weiteren Schub wird seiner Meinung nach auch das im November 2019 zwischen der EU und dem Stadtstaat in Kraft getretene Freihandelsabkommen EUSFTA (EU-Singapore Free Trade Agreement) bringen. Es ist das erste Abkommen seiner Art mit einem Mitglied aus dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) und regelt unter anderem Themen wie die Aufhebung von Importzöllen und Steuern oder den vereinfachten Marktzugang für Dienstleistungsverkehre.
Strategisch günstig gelegen
Doch wie reagieren die Handelspartner außerhalb Singapurs auf die Leistungsangebote des Inselstaats, insbesondere im maritimen Bereich? Und mit welchen Herausforderungen haben sie dabei zu kämpfen? Zu diesen Fragen hat sich der LOGISTICS PILOT einmal im Markt umgehört. Das Ergebnis ist durchweg positiv und deckt sich mit den Aussagen, die Laurence Bay vor Kurzem bei einem Treffen mit Spitzenmanagern mehrerer großer und mittlerer Schifffahrtsunternehmen in Hamburg gesammelt hat: „Sie alle nennen Singapurs globale See- und Luftverkehrsanbindung, die Infrastruktur von Weltrang, die politische Stabilität und die Geschäftsfreundlichkeit als Hauptgründe, warum das Land für sie das führende Drehkreuz in einer der dynamischsten Regionen der Welt ist “, sagt der Botschafter.
So läuft die größte Reederei der Welt, A.P. Möller-Maersk, die Häfen in Tanjung Pelepas und Singapur nach eigenen Angaben mit derzeit mehr als 40 Main-Liner-Diensten an und nutzt dabei insbesondere die strategisch günstige Lage Singapurs an der Kreuzung wichtiger Handelswege – sowohl für das regionale als auch für das globale Geschäft. „Vor allem die Marktnachfrage von Asien nach Europa ist hoch und wird sich mit Blick auf Weihnachten und das chinesische Neujahrsfest weiter erhöhen. Die größte Herausforderung besteht derzeit darin, die pandemiebedingten langen Wartezeiten in den überlasteten Häfen zu reduzieren“, erklärt Sebastian von Hayn, Head of Network & Market Europe/Asia bei Maersk. Vor diesem Hintergrund sieht er das breite End-to-End-Container-Logistiknetzwerk seiner Reederei als einen großen Vorteil, wenn es darum geht, weltweit Ladung über andere Routen und andere Häfen zu verschiffen, um so dafür zu sorgen, dass die Waren ihren Bestimmungsort mit geringerer Verspätung erreichen, als das gegenwärtig oftmals der Fall sei. Über die Besonderheiten Singapurs sagt von Hayn: „Die Infrastruktur und der Betrieb im dortigen Hafen sind weltweit führend. Zudem ist die Produktivität hoch, weil regelmäßig in die Erneuerung der land- und wasserseitigen Infrastruktur investiert wird. Das wiederum verringert Leerlaufzeiten und steigert die Effizienz.“
„Pandemiebedingte Wartezeiten in den Häfen reduzieren.“
Sebastian von Hayn, Head of Network & Market Europe/Asia bei Maersk
„Singapur bietet eine hoch entwickelte Infrastruktur.“
Stéphane Courquin, Chief Executive Officer von CMA CGM Asia-Pacific
Peter Wolf, Geschäftsführer von CMA CGM Deutschland
„Ein exzellenter Logistikpartner.“
Martin Breuer, Head of Logistics Procurement bei Symrise
Größter Bunkerhafen der Welt
Das sieht die drittgrößte Reederei der Welt, CMA CGM, ähnlich. Sie operiert gegenwärtig fünf Liniendienste aus Deutschland, zwei davon über den JadeWeserPort in Wilhelmshaven, nach Singapur. Parallel dazu besitzt das CMA CGM-PSA Lion Terminal im dortigen Hafen nach Unternehmensangaben eine jährliche Betriebskapazität von 3,1 Millionen TEU und wickelt durchschnittlich 28 Schiffsanläufe der CMA-CGM-Gruppe pro Woche ab. Dazu erklärt Stéphane Courquin, Chief Executive Officer von CMA CGM Asia-Pacific: „Singapur bietet eine hoch entwickelte Infrastruktur und ein günstiges Geschäftsumfeld für Carrier an“. Ebenso stehe Singapurs kontinuierliches Streben nach technologischem Fortschritt und Dekarbonisierung für ihn im Einklang mit dem Engagement von CMA CGM für den Fortschritt in der digitalen und nachhaltigen Schifffahrt. In diesem Zusammenhang verweist Courquin auch auf die Rolle Singapurs als größtem Bunkerhafen der Welt und auf ein Event, das dort im März dieses Jahres an Bord der „CMA CGM Scandola“ stattgefunden hat – die erste LNG-Versorgung von Schiff zu Schiff in Asien. Und sein Kollege Peter Wolf, Geschäftsführer von CMA CGM Deutschland, nutzt das Thema postwendend, um eine Brücke nach Niedersachsen zu schlagen: „Wilhelmshaven, als einziger Tiefwasser-hafen in Deutschland, bietet der CMA-CGM-Gruppe eine zusätzliche Möglichkeit, ihre größten und modernsten Schiffe der LNG-Klasse zu bedienen.”
Hohe Durchsatzgeschwindigkeit und effiziente Zollabwicklung
Für das Unternehmen Symrise ist in diesem Jahr die Logistik-verbindung nach Singapur volljährig geworden: Bereits seit 2003 transportiert der Anbieter von Duft- und Geschmackstoffen sowie von kosmetischen Grund- und Wirkstoffen seine Produkte von Bremerhaven in den Stadtstaat. „Inzwischen verschiffen wir mit Unterstützung der Spedition Leschaco zwei bis drei TEU pro Kalenderwoche auf dieser Strecke. Die Container sind für unsere Tochtergesellschaft in Singapur bestimmt und enthalten bis zu 80 Einzelpositionen mit Rohwaren, Vormischungen oder fertigen Produkten“, so Martin Breuer, Head of Logistics Procurement bei Symrise. An seinen beiden Standorten in Singapur hat das Unternehmen mit Hauptsitz in Holzminden im vergangenen Jahr fast 22.000 Tonnen für lokale und regionale Abnehmer produziert – diese kommen beispielsweise in Produkten wie Duschgel, Zahnpasta oder in Eiscreme zum Einsatz.
„Singapur ist ein exzellenter Logistikpartner für Symrise. Der Hafen zeichnet sich beim Handling unserer Warenströme insbesondere durch hohe Durchsatzgeschwindigkeit, professionelle und effiziente Zollabwicklung sowie durch kurze Abwicklungszeiten aus“, lobt Breuer. Bis alles so rund lief, wie es heute der Fall ist, musste Symrise an einigen Stellschrauben drehen, vor allem, als es darum ging, die Anzahl seiner Seefracht-Stückgutsendungen (LCL) sukzessive zu reduzieren und so weit wie möglich durch FCL-Ladungen zu ersetzen. „Am Anfang wurden alle Lieferungen nach Asien, die von der Menge her nicht einer kompletten Container-ladung entsprachen, als LCL-Sendungen verladen. Dies hatte neben kostenintensiven Einzelabrechnungen auch zeitaufwendige Einzelabwicklungen beim Import im Empfangsland zur Folge“, erläutert Breuer. Nach intensiven Überprüfungen der Ladungsströme sind es heute deshalb nur noch geringe Mengen – zum Beispiel Materialien, die nicht mit anderen verladenen Stoffen zusammen in einen Container gestaut werden dürfen – die Symrise als LCL-Ladung verschickt.
„Wir konnten auf diese Weise signifikante Einsparungen bei den Frachtkosten erreichen, die Quote bei Transportschäden deutlich senken und für unsere Tochtergesellschaft in Singapur eine zeitlich besser kalkulierbare, sauber getaktete Versorgung gewährleisten,“ so Breuer. Die so optimierte Lieferkette dient inzwischen auch als Vorlage für die Versorgung der Symrise-Betriebe in China, USA, Südafrika und Brasilien. und modernsten Schiffe der LNG-Klasse zu bedienen.”
Wirtschaftliche Vorteile durch EUSFTA
Auch für Nippon Express Global Logistics spielt Singapur eine wichtige Rolle im Rahmen seines weltweiten Logistik-netzwerks. So verfügt das japanische Unternehmen, das neben Transportdienstleistungen zu Land, zu Wasser und in der Luft unter anderem auch Lagerhaltung und Verzollung anbietet, seit 1973 über ein eigenes Tochterunternehmen in Singapur. Ebenso hat man an diesem Standort, der seit 2012 als regionales Headquarter fungiert, 2018 die Global Sales Strategy Division / Global Key Account Sales (GKAS) gegründet. „Mit diesen Schritten haben wir sowohl unsere globale Ausrichtung jenseits Japans als auch unsere Präsenz im so wichtigen Intra-Asien-Geschäft weiter gestärkt“, erläutert Bipin Chinnappa, APAC Business Development Director bei Nippon Express Global Logistics und stellvertretender Sprecher des Chapter Singapur der Bundesvereinigung Logistik (BLV). Für ihn ist Singapur eine der wichtigsten Schaltzentralen für den globalen Handel: „Singapur fungiert als Tor zu Asien. Auf der einen Seite exportiert das Land vor allem Elektronik, chemische Erzeugnisse und Maschinen, auf der anderen Seite wird fast alles importiert, vor allem Elektronik, Pharmaprodukte und Lebensmittel. Dabei kommen vor allem die Verkehrsträger Schiff, Flugzeug und Lkw zum Einsatz. Die Bahn spielt hier kaum eine Rolle.“
Seiner Ansicht nach gibt es eine ganze Reihe von Faktoren, die den Inselstaat für die Ansiedlung ausländischer Investoren besonders interessant machen. Dazu gehörten, neben den niedrigen Unternehmenssteuern und dem sicheren Umfeld auch die niedrige Kriminalitätsrate und die hohe Lebensqualität. Als ein zusätzliches, starkes Argument für deutsche Unternehmen, mit Singapur Handel zu treiben, sieht er das bereits angesprochene Handelsabkommen EUSFTA. „Damit wurden die Zölle auf 84 Prozent aller Produkte aus Singapur, die in die EU eingeführt werden, bereits gestrichen. Das Gleiche soll innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre auch für die restlichen 16 Prozent passieren“, so Chinnappa. Aus der speziellen Rolle Singapurs im globalen Handel erwächst für ihn aber auch ein besonderes Gefährdungspotenzial, nämlich dann wenn aus unvorhersehbaren Gründen die internationalen Lieferketten ins Stocken geraten: „Als weltoffene Metropole hat die Stadt die Corona-pandemie besonders stark zu spüren bekommen. Viele Branchen, darunter der Bausektor, der Groß- und Einzelhandel sowie das Hotel- und Gaststättengewerbe verzeichneten hohe Umsatzrückgänge im zweistelligen Bereich“, so Chinnappa. Laut Germany Trade and Invest (GTAI) ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Singapur 2020 real um 5,4 Prozent zurückgegangen.
Gestärkt aus der Pandemie hervorgehen
Trotz dieser temporären Rückschläge blickt der Botschafter der Republik Singapur in Berlin verhalten optimistisch in die Zukunft seines Landes. „Vor Corona hatten wir ehrgeizige Pläne in Angriff genommen, um beispielsweise die erste ‚Smart Nation‘ der Welt zu werden, einen neuen Megahafen zu bauen und um die Entwicklung autonomer Fahrzeuge voranzutreiben. Die Pandemie hat diese Pläne nur verzögert, nicht aber die Richtung verändert, in die wir uns bewegen. Wir streben an, in einer neuen Normalität aus der Pandemie gestärkt hervorzugehen. Daher bin ich relativ zuversichtlich, dass wir in diesen und anderen Bereichen eine Entwicklung erleben werden“, so Laurence Bay. (bre)
„Die Stadt hat die Pandemie besonders stark zu spüren bekommen.“
Bipin Chinnappa, APAC Business Development Director bei Nippon Express Global Logistics und stellvertretender Sprecher des Chapter Singapur der Bundesvereinigung Logistik (BLV)
Singapurs „Hafen der nächsten Generation“
Der neue Tuas Megaport in Singapur ist in vier Bauphasen unterteilt und soll nach seiner kompletten Fertigstellung ab dem Jahr 2040 mit einer Gesamtkapazität von bis zu 65 Millionen TEU zum größten Container-terminal der Welt werden. Neben dem physischen Hafen wird Tuas Megaport auch ein digitaler und automatisierter Hafen sein: Die Rede ist dabei unter anderem von über 1.000 batteriebetriebenen fahrerlosen Fahrzeugen und einer Flotte von fast 1.000 automatisierten Kranen. Im Zuge der Fertigstellung des Megaprojekts ist geplant, den Hafenbetrieb im Stadt-gebiet sukzessive zu reduzieren und später ganz einzustellen. „Die singapurische Regierung investiert in die Zukunft, um der wachsende Nachfrage nach Containerumschlagsplätzen gerecht zu werden und den Bedarf der Mega-Allianzen im Zuge der Konsolidierung der Branche zu decken“, so Er Tham Wai Wah, Chefingenieur und Senior Director Engineering & Project Management der Maritime and Port Authority of Singapore (MPA). „Unser 2012 erstmals angekündigter Plan sieht vor, den Betrieb des Containerhafens nach Tuas im Westen Singapurs zu verlegen und zu konsolidieren. Die Vision ist der Bau eines intelligenten Hafens der nächsten Generation, der die Produktivität erhöht, die Flächennutzung optimiert, die Sicherheit verbessert und die Nachhaltigkeit steigert.“ Laut MPA soll die erste Anlegestelle des Tuas Megaports bereits Ende 2021 in Betrieb gehen und damit die erste Phase des Projekts abgeschlossen sein. (bre)
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