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Box über Bord

Mit einer neuartigen Kombination aus Trackingeinheit und Kommunikationsplattform will die Jade Hochschule zukünftig die Lokalisierung von havarierten Containern auf See erleichtern.

Fotos: Jade Hochschule (2x), Rainer Schulz und Johan Krol
Rückblick: Im Januar 2019 gingen bei schwerer See in der Deutschen Bucht 342 Container über Bord des Containerschiffs „MSC Zoe“. Darunter befanden sich Boxen mit Kühlschränken, Fernsehern und Kleidung, aber auch Gefahrgutcontainer mit Lithiumbatterien, Chemikalien und Plastikgranulat. Die Besatzung des 395 Meter langen Frachters bemerkte den Verlust erst mehrere Stunden nach dem Vorfall. Anschließend wurden über Monate große Mengen von Treibgut aus der Havarie an die west- und ostfriesischen Strände gespült. Zehn Prozent der von der „MSC Zoe“ verlorenen Container dürften heute noch zerborsten auf dem Meeresgrund liegen.

Um zukünftig die Suche nach über Bord gegangenen Seefrachtcontainern zu erleichtern und eben solche Szenarien wie bei der „MSC Zoe“ zu verhindern, entwickelt die Jade Hochschule derzeit zusammen mit Partnern (siehe Infokasten) im Rahmen des dreijährigen Forschungsprojekts „ConTAD – Smart Container Tracking and Accident Detection“ eine innovative Trackingeinheit und eine Kommunikationsplattform. „Vor dem Hintergrund des zunehmenden Welthandels und einer weiteren Steigerung des Schiffsverkehrs können wir durch unser neues System dazu beitragen, die Detektionszeit über Bord gegangener Container zu reduzieren, den Umweltschutz zu erhöhen sowie die Resilienz der Lieferketten und die Sicherheit der Schifffahrt zu verbessern“, erklärte Projektleiter Professor Christian Denker anlässlich des Startschusses von „ConTAD“ im vergangenen November.

Zu diesem Zweck wird eine Trackingeinheit, die etwa so groß sein soll wie ein Smartphone, auf der Containertür befestigt. Sie besteht aus einer Antenne, einem Warnlicht, einer Solarzelle und einer Aufschwimmeinrichtung. „Wie groß genau die Trackingeinheit sein wird und über welche Art der Leinenverbindung sie mit der Box verbunden sein wird, testen wir gerade in Zusammenarbeit mit unserem Partner Eurogate“, erläutert Moritz Oberjatzas, der das Projekt als wissenschaftlicher Mitarbeiter betreut. Dabei funktioniert die Trackingeinheit nach dem Prinzip einer Smartwatch. Das heißt, über Erschütterungs- und Beschleunigungssensoren soll erkannt werden, wenn ein Container über Bord gegangen ist. Zudem sollen per Satellitennavigation die erforderlichen Informationen an den Havaristen, an Schiffe in der Umgebung, an den Frachteigner und an die verantwortlichen Havarieexperten gesendet werden – und zwar mit den entsprechenden Koordinaten. „Es ist angepeilt, dass die Batterien in der Trackingeinheit dank des Einsatzes von Solarzellen eine Lebensdauer von zwei Jahren haben und im Falle einer Havarie mindestens vier Tage lang ein Signal von der Wasseroberfläche senden“, so Oberjatzas.

So (r.) sah es zwei Tage nach der Havarie der „MSC Zoe“ auf der Insel Ameland aus. Die Schutzstation Wattenmeer dokumentierte regelmäßig, welche Gegenstände an die Strände gespült wurden. Der Rohling einer LED-Lampe (l.) wurde sogar noch zwei Jahre nach dem Vorfall vor Eiderstedt gefunden und soll ebenfalls von der „MSC Zoe“ stammen.
Und genau das ist die Besonderheit: Denn sollte der betreffende Container absinken, treibt die dazugehörige Aufschwimmvorrichtung weiter an der Oberfläche. Für den Fall, dass mehrere Container gleichzeitig über Bord gegangen sein, bilden ihre Systeme ein Ad-hoc-Netzwerk, wodurch eine daten- und energiesparende Ortung der treibenden Boxen über das bestehende Kommunikationssystem ermöglicht wird. Gleichzeitig wird das Sicherheitssignal der Trackingeinheit in die elektronischen Seekarten eingespeist und warnt so die in der Umgebung fahrenden Schiffe vor den havarierten Boxen. Auf diese Weise kann eine mögliche Kollision vermieden werden. Und das Schiff, das die wertvolle Fracht verloren hat, kann sofort Gegenmaßnahmen einleiten, um den Verlust weiterer Container zu verhindern – zum Beispiel die Geschwindigkeit reduzieren oder eine Kursänderung vornehmen. „Je früher das der Fall ist, umso besser. Denn abhängig von Wind und Strömung können havarierte Container pro Tag bis zu 100 Kilometer vertrieben werden“, erläutert Oberjatzas.

„Da das System auf bereits existierende Kommunikationssysteme in der Schifffahrt zurückgreift, wird für „ConTAD“ keine zusätzliche Infrastruktur an Bord von Schiffen benötigt. Somit sind die Hürden für eine Markteinführung niedrig“, gibt sich Denker optimistisch. Auf seine Effizienz und Alltagstauglichkeit hin wird „ConTAD“ nun bis Oktober 2026 getestet. (bre)

Per Satellitennavigation werden die erforderlichen Informationen mit den entsprechenden Koordinaten an den Havaristen und weitere Verantwortliche gesendet.

INFO

Contad

„ConTAD“ wird über das Maritime Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz mit insgesamt 1,4 Millionen Euro gefördert. Auf die Jade Hochschule entfallen davon rund 470.000 Euro. Kooperationspartner der Hochschule sind Socratec Telematic und Brehmer. Zu den assoziierten Partnern zählen Hapag-Lloyd, das Eurogate Container Terminal Bremerhaven, die Neue Schleppdampfschiffsreederei Louis Meyer, m2m Germany und das Maritime Cluster Norddeutschland.

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