Das globale Handelsvolumen wächst. Zugleich nehmen die Anforderungen an den Klimaschutz zu. Die von der Bundesregierung verabschiedete Nationale Hafenstrategie soll darum auch den Weg in eine nachhaltigere Zukunft unserer Häfen weisen. Kann das gelingen?
Im Rahmen der NHS werden fünf Handlungsfelder identifiziert: Gleich an zweiter Stelle – nach der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Hafenstandorts Deutschland – steht das Thema Nachhaltigkeit: „Die Häfen sollen zu nachhaltigen Knotenpunkten für die Energiewende, eine klimaneutrale Schifffahrt und Industrie sowie zu Drehkreuzen für die Verkehrsverlagerung entwickelt werden“, heißt es in dem Papier.
Die strategischen Ziele sind laut Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit operativen Maßnahmen unterlegt, deren Umsetzung in die Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Kommunen sowie der Wirtschaft und Infrastrukturbetreiber fallen. „Dabei geht es insbesondere um die Bereitstellung ausreichender Flächen für energiewende- und verkehrswenderelevante Unternehmen sowie für Lager und Tanklager, in denen Energieträger gespeichert werden, den frühzeitigen Ausbau von Speicher- und Bebunkerungskapazitäten sowie um eine Beteiligung von Häfen an grünen Schifffahrtskorridoren“, so eine BMDV-Sprecherin.
Zur Ermittlung der für die Energiewende notwendigen Hafeninfrastrukturen haben das BMDV und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Studien zu Energiehäfen der Zukunft in Auftrag gegeben. „Untersucht werden in diesem Rahmen die Ausbaupotenziale der Seehäfen, der Ausbaubedarf und die Finanzierungsbedarfe“, teilt das BMDV mit. Erste Ergebnisse sollen Ende 2024 vorliegen. Überdies erarbeite das Verkehrsministerium derzeit gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium einen Aktionsplan zur klimafreundlichen Schifffahrt als strategischen Rahmen für die nachhaltige Dekarbonisierung der nationalen See- und Binnenschifffahrt. Dieser soll im zweiten Quartal 2025 vorliegen.
Howe erwartet Förderung der Maßnahmen und Ziele der NHS
Unabhängig von den Ergebnissen ist für Robert Howe bereits jetzt klar, dass die deutschen Seehäfen für die Energiewende ausgebaut werden müssen. „Das ist das klare Bekenntnis, das sich in der Hafenstrategie wiederfindet“, so der bremenports-Geschäftsführer. „Und genau das gibt uns insbesondere auch für die Energy-Port-Planungen hier in Bremerhaven Rückenwind: Die Themen Windenergieumschlag, Anlagenrecycling, die kajennahe Produktion und Lagerung von Neuanlagen für den Offshore-Ausbau sowie der Import und die Weiterverarbeitung von regenerativen Energieträgern sind Kernbestandteil der Planungen hier vor Ort. All das findet sich eins zu eins in der Nationalen Hafenstrategie wieder.“
Die Strategie des Bundes samt der fünf Handlungsfelder und der entsprechenden Maßnahmenpakete sei daher grundsätzlich ein guter Schritt in Richtung Zukunftssicherheit. Im Vordergrund stehe die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Resilienz der Häfen. „Auch diese Priorisierung ist durchaus richtig und unterstreicht die unverzichtbare nationale Bedeutung der Häfen für die Güter- und Energieversorgung“, so der Chef der Hafenmanagementgesellschaft weiter.
Es gibt allerdings einen Haken: die Finanzierung. „Genau hier liegt das Hauptproblem und der elementare Mangel der Strategie“, unterstreicht Howe. Die Zielformulierungen machten deutlich, dass sich die Bundesregierung der nationalen Bedeutung der Häfen bewusst sei – genau das werde aber dadurch konterkariert, dass eben keinerlei Finanzierungszusagen gemacht oder konkrete Förderkulissen in Aussicht gestellt würden.
„Wenn Häfen eine nationale Aufgabe sind, kann man sich eben nicht darauf zurückziehen, dass für deren Finanzierung die Länder zuständig seien“, stellt Howe heraus. „Das reicht angesichts der Herausforderungen, vor der die Häfen stehen, einfach nicht.“ Und so positiv es sei, dass endlich eine Hafenstrategie vorgelegt wurde: „Ohne eine klare Zusage, Maßnahmen und Ziele der Strategie auch entsprechend zu fördern, bleibt es bei wohlklingenden Sätzen mit schönen Worten – die uns allein aber nicht weiterbringen. So können wir die Nationale Hafenstrategie nicht umsetzen.“
Arbeitsgruppen sollen die NHS mit konkreten Maßnahmen füllen
Zu den fünf Handlungsfeldern der Nationalen Hafenstrategie wurden Arbeitsgruppen gebildet, die die Leitlinien weiter ausarbeiten und mit konkreten Maßnahmen füllen. Dazu zählt auch Arbeitsgruppe 1 „Häfen als nachhaltige Knotenpunkte der Energiewende“. Allen Arbeitsgruppen gehören Vertreter (auf Arbeitsebene) von Bund (Ressorts), Küstenländern, Binnenländern, Verbänden aus Wirtschaft und Umwelt sowie der Gewerkschaft Verdi an.
Seitens des Bundes sind es in dieser Arbeitsgruppe die Ressorts Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).
Seitens der Länder übernehmen Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Baden-Württemberg eine koordinierende Funktion für alle Länder. Überdies sind folgende Verbände vertreten: der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), der Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB), der Verband Deutscher Reeder (VDR), das Deutsche Verkehrsforum (DVF), die IHK Nord, die Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW), das Deutsche Maritime Zentrum (DMZ) und die Gewerkschaft Verdi.
„Wenn Häfen eine nationale Aufgabe sind, können nicht allein die Länder für die Finanzierung zuständig seien.“
Robert Howe, Geschäftsführer von bremenports
Banik hält infrastrukturelle Anpassungen für größte Herausforderung
Auch Holger Banik bewertet die Nationale Hafenstrategie als positiven Schritt, um die Rolle der Häfen in der Energiewende zu stärken. „Die niedersächsischen Seehäfen, insbesondere die Häfen in Wilhelmshaven, Cuxhaven und Stade, sind aufgrund ihrer Infrastruktur und geografischen Lage zentrale Knotenpunkte für Wasserstoffproduktion und Windenergie“, unterstreicht der Geschäftsführer der Niedersachsen Ports (NPorts) und der JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft.
In Bezug auf die Energiewende sehe man die niedersächsischen Seehäfen in der Strategie gut eingebunden. „Jedoch hätten wir uns bei Aspekten wie der notwendigen Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und der langfristigen Sicherstellung von Finanzmitteln konkretere Aussagen gewünscht“, sagt Banik.
Eine der größten Herausforderungen besteht nach seiner Ansicht darin, dass infrastrukturelle Anpassungen, die für die Umsetzung der Energiewende erforderlich sind, erhebliche Investitionen erfordern. „Diese können nicht ausschließlich privatwirtschaftlich finanziert werden“, betont der NPorts-Chef. „Da es sich bei den Energiewendeprojekten um die Umsetzung nationaler Ziele handelt, sehen wir eine deutliche Mitfinanzierungsverantwortung beim Bund.“ Hinzu komme die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren einschließlich der Bundes- und Landesregierungen, der Hafenbetreiber und der Industrie, die einer stärkeren Koordination bedürfe.
Klar sei, dass die Transformation zur Klimaneutralität hohe Investitionen von allen Marktteilnehmern erfordere. Die Konsequenz: „Um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte nicht zu gefährden, sind für den Transformationsprozess hohe öffentliche Zuschüsse erforderlich, damit die Umstellung der Produktionsabläufe mit möglichst geringen zusätzlichen Kosten für die Waren erfolgen kann“, meint Banik. „Es wird entscheidend sein, dass sowohl öffentliche als auch private Mittel effizient eingesetzt werden.“
Dreeke sieht Verbesserungsbedarf bei der Priorisierung
Der BLG-Vorstandsvorsitzende Frank Dreeke sieht es ebenfalls als grundsätzlich positives Zeichen, dass die NHS im März verabschiedet wurde. „Allerdings kommt die Nationale Hafenstrategie deutlich verspätet“, bemängelt er. Schließlich sehe diese vor, dass die deutschen Häfen bis 2045 klimaneutral werden. Und um dieses Ziel zu erreichen, seien erhebliche Investitionen in die Infrastruktur und die digitale Transformation der Hafenstandorte notwendig.
„Die deutschen Seehäfen spielen eine zentrale Rolle in der Energiewende“, unterstreicht Dreeke. „Wenn wir den Klimaschutz und die Ausbauziele ernst nehmen, müssen wir schnellstens die dafür nötigen Kapazitäten in den Seehäfen schaffen. Die Häfen benötigen mindestens 400 Millionen Euro pro Jahr, um die notwendigen Investitionen zu tätigen.“ Diese Mittel seien bisher nicht in ausreichendem Maße bereitgestellt worden, was die Umsetzung der Strategie gefährde.
Außerdem sorgten die Verzögerungen und das mangelnde Engagement der Bundesregierung für Frustration in den Hafenländern. „Es entsteht der Eindruck, dass die Bundesregierung sich ihrer Verantwortung entzieht und keine ausreichenden Mittel bereitstellt, um die Transformation der Seehäfen in Energiestandorte zu unterstützen“, so die Wahrnehmung des BLG-Chefs.
Auch bei der Priorisierung sieht er Verbesserungsbedarf. Zwar berücksichtige die NHS inhaltlich viele relevante Aspekte. Neben der unzureichenden finanziellen Unterstützung bestünden aber trotz der Bemühungen, viele Planungs- und Genehmigungsverfahren zu vereinheitlichen, weiterhin bürokratische Hürden, die die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Häfen beeinträchtigten. „Es fehlt an einer langfristigen und entschlossenen Unterstützung seitens der Bundesregierung“, so Dreeke.
Das unbefriedigende Engagement der Bundesregierung zeige sich auch an anderer Stelle: Während deutsche Häfen häufig mit bürokratischen Hürden und mangelnder finanzieller Unterstützung konfrontiert seien, setzten die Regierungen in Belgien und den Niederlanden klare Prioritäten und förderten ihre Häfen umfassend. „Diese Länder haben längst erkannt, dass Häfen auch als zentrale Knotenpunkte der Energiewende fungieren, und stellen entsprechende Mittel bereit, um diese Position zu stärken“, stellt Dreeke heraus.
In Deutschland fehle es hingegen an einer entschlossenen und langfristigen Unterstützung. „Dies führt dazu, dass die deutschen Häfen ihre Rolle als Schlüsselakteure der Energiewende nicht voll ausschöpfen können, was langfristig negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche und ökologische Entwicklung des Landes haben wird“, befürchtet der Vorstandsvorsitzende.
Auch ein höheres Tempo und mehr Weitblick würde er sich wünschen. „Es ist wichtig, über Legislaturperioden hinauszudenken. Das sehe ich in der aktuellen Politik nicht. Die Branche hatte hohe Erwartungen, die bisher nicht erfüllt wurden, was zu einer spürbaren Enttäuschung geführt hat.“
„Bei der notwendigen Beschleunigung von Genehmigungsverfahren hätten wir uns konkretere Aussagen gewünscht.“
Holger Banik, Geschäftsführer von NPorts und der JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft
„Es ist wichtig, über
Legislaturperioden hinauszudenken.“
Frank Dreeke, Vorstandsvorsitzender
von BLG LOGISTICS
Titzrath fordert finanzielle Unterstützung durch den Bund
Aus Sicht der Präsidentin des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), Angela Titzrath, hebt die Strategie die zentrale Bedeutung der deutschen Häfen als Knotenpunkte der Energiewende richtigerweise heraus. Sie formuliere passende strategische Ziele und enthalte einen umfangreichen Maßnahmenkatalog. Titzrath sagt aber auch: „Gerade bei der Energiewende liegt es auf der Hand, dass große Investitionen in die Hafeninfrastrukturen für die Verschiffung von Windenergieanlagen, den Umschlag von Wasserstoff und viele weitere Transformationsbeiträge nötig sind. Der Bund muss die Länder endlich bei der Finanzierung unterstützen.“
Es fehle vor allem ein konkreter und verlässlicher Zeitrahmen für die Umsetzung des Maßnahmenkatalogs. „Papier ist geduldig, aber schnelles Handeln ist gefragt“, betont die ZDS-Präsidentin. „Die Gretchenfrage ist die Finanzierung der Bedarfe an Neubau und Sanierung. Die Länder können das nicht allein stemmen. Der Bund umschreibt zwar seine Verantwortung, macht aber keinerlei Zusagen. Daran hat auch die Nationale Hafenstrategie bislang nichts geändert.“
Der Ampelkoalition fehle der politische Wille zum Handeln, kritisiert Titzrath. Zwar seien Ausbauziele benannt, aber der Weg dorthin wird nicht gangbar gemacht. „Da braucht es mehr als die zusätzlichen Liegeplätze in Cuxhaven. Wir sind dabei, wenn der Bund nun zunächst die Bedarfe systematisch quantifiziert, aber die Finanzierungsmechanismen können Bund und Länder schon jetzt gestalten.“
Die Vorschläge zur Finanzierbarkeit der strategischen Ziele liegen längst auf dem Tisch, sagt Titzrath. „Das ist eine politische Entscheidung. Geld für die Hafeninfrastrukturen ist Investition in die Zukunft des Landes. So werden Industrien und Zukunftstechnologien am Standort gehalten, Beschäftigung gesichert und Wohlstand bewahrt. Wir als privatwirtschaftliche Seehafenbetriebe brauchen dafür aber hinreichende öffentliche Infrastrukturen.“
Nationale Hafenstrategie thematisiert Kooperation
In der Nationalen Hafenstrategie (NHS) wird auch die Zusammenarbeit der Häfen thematisiert. Ein strategisches Ziel ist die Förderung der Kooperation zwischen den potenziellen deutschen Hafenstandorten im Kernnetz des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) der EU für Energie- und Rohstoffimporte. Dies gilt insbesondere für die Terminals sowie die Infrastruktur. Zur Einordnung: TEN-V umfasst neun Kernnetzkorridore, die strategisch wichtige Regionen der EU miteinander verbinden. Dabei sei die tatsächliche Nachfrage auf dem Markt sowohl kurz- als auch langfristig neben anderen Entwicklungen zu berücksichtigen.
Wie beurteilen das die Hafenakteure?
„Letztlich muss es darum gehen, die Vorteile der einzelnen Hafenstandorte zu nutzen – und sich nicht gegenseitig zu kannibalisieren“, meint Howe. „Natürlich macht es beispielsweise Sinn, die Häfen, an denen dies mit vergleichsweise geringen Eingriffen in die Natur möglich ist, auf die neuen 24.000 Container fassenden Schiffe der Megamax-24-Klasse auszubauen und sie nachhaltig im Sinne der ökonomischen und ökologischen Unterhaltungsarbeiten zu betreiben.“
Hier gebe es standortbedingte Unterschiede, und die Zufahrten zu den Kajen seien nun einmal unterschiedlich lang und die öffentlichen Aufwendungen für die erforderlichen Wassertiefen deutlich divergierend. „Diese Hafenprofile samt der prognostizierten Marktentwicklungen bei Investitionen in Betracht zu ziehen, ist nichts Ehrenrühriges. Es setzt allerdings – und da wären wir wieder beim Hauptproblem der Strategie – in erster Linie ebenfalls Investitionen in derartige Kooperationen voraus.“
„Aus unserer Erfahrung richtet sich die Marktnachfrage insbesondere bei den Energieprojekten weniger an der Frage aus, ob es sich um einen Hafen des TEN-V-Kernnetzes handelt, als vielmehr an Kriterien, die für die Energiewendeprojekte von Bedeutung sind“, sagt Banik. „Als Standortkriterien sind hier zum Beispiel die Entfernungen zum Gas- beziehungsweise Wasserstoffverteilnetz, die Flächenverfügbarkeit, ein Anlandepunkt von Offshore-Strom, die Genehmigungsfähigkeit für industrielle Energieanlagen und gegebenenfalls die Wassertiefe zu nennen.“
Insofern dürfe die Bundes- und EU-Förderung von Energieprojekten nicht nur auf die Häfen des TEN-V-Kernnetzes ausgerichtet sein. Gleichwohl könne der Aspekt der Kooperation zwischen den Hafenstandorten innerhalb dieses Netzes als Chance gesehen werden, um Know-how bei der Gestaltung und Weiterentwicklung der Infrastruktur zu teilen.
„Es geht aus unserer Sicht darum, die Akteure zusammenzubringen, sie miteinander bekannt zu machen, technische Ansätze unterschiedlicher Branchen zu verflechten, einen Marktplatz zu entwickeln, Raum und Anreize für Innovationen und Projekte zu schaffen“, sagt Titzrath. „Abseits davon ist ein gesunder Wettbewerb zwischen den Unternehmen und auch Standorten sinnvoll, um Fortschritt, Effizienz und Resilienz zu maximieren.“ (cb)
„Geld für die Hafeninfrastrukturen
ist Investition in die Zukunft.“
Angela Titzrath, Präsidentin des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS)