Wie gelungen ist das Zusammenspiel zwischen Brüssel, Berlin und den Bundesländern beim Klima- und Umweltschutz? Die bremische Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation, Kristina Vogt, und Mathias Krage, Präsident des Gesamtverbands Verkehrsgewerbe Niedersachsen, nehmen Stellung dazu, was gut läuft und wo sie Verbesserungsbedarf sehen.
„Europa darf den Blick auf die globale Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren.“
Kristina Vogt. Die gebürige Münsteranerin ist seit Juli 2023 Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation in Bremen. Zuvor war sie seit 2019 vier Jahre Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa. Mitglied bei der Partei Die Linke ist sie seit 2008.
KRISTINA VOGT: Die Zusammenarbeit zwischen den Regierungsebenen bleibt herausfordernd, insbesondere durch die Uneinigkeit der Ampelkoalition in Berlin. Diese wirkt sich bis nach Brüssel aus, wo es zu Enthaltungen im Ministerrat kommt – in Fällen, in denen Deutschland mit klaren Positionen auftreten müsste. Ein Beispiel dafür sind die Debatten um den „German Vote“. Bei der Hafenfinanzierung sehen wir ebenfalls noch unbeantwortete Fragen. Der Bund hat kürzlich durch seine Zustimmung zu EU-Regelungen zusätzliche Belastungen für die Länder, etwa beim Landstrom, verursacht, ohne jedoch die entsprechenden Förderprogramme fortzusetzen. Es gibt aber punktuelle Fortschritte, wie beim Hafenausbau in Cuxhaven und dem geplanten Bürgschaftsprogramm für den Konverterbau.
MATHIAS KRAGE: Auf Bundesebene zeigt sich ein wachsendes Bewusstsein für die Bedeutung der Logistik. Wir schätzen die Bemühungen, insbesondere im Bereich der Infrastrukturmodernisierung. Aber es gibt Verbesserungsbedarf, unter anderem bei der Koordination zwischen den Regierungsebenen. Unterschiedliche regulatorische Ansätze in den Bundesländern erschweren eine einheitliche Umsetzung von Maßnahmen, zum Beispiel bei Hafenanbindungen und Infrastrukturprojekten. Häufig führt dies zu Verzögerungen, was die Wettbewerbsfähigkeit der Logistikbranche beeinträchtigen kann.
LOGISTICS PILOT: Die Klimaschutzregulatorik nimmt erheblich zu, insbesondere auch für die maritime Wirtschaft und Logistik. Wie bewerten Sie das?
KRAGE: Wir befürworten grundsätzlich den Klimaschutz, auch für die maritime Wirtschaft und Logistik, da wir die Verantwortung der Branche für die Reduktion von Emissionen anerkennen. Der Übergang zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen und Technologien ist notwendig, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und die Klimaziele zu erreichen. Gleichzeitig muss dies jedoch realistisch und praktikabel gestaltet werden. Um den Übergang zu emissionsärmeren Technologien zu schaffen, sind umfangreiche Investitionen erforderlich, insbesondere bei kleineren und mittelständischen Unternehmen. Diese benötigen ausreichend Zeit zur Anpassung und gezielte Fördermaßnahmen, damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Logistikbranche auf globaler Ebene erhalten bleibt.
VOGT: Die maritime Wirtschaft trägt ihren Teil zur Dekarbonisierung bei und erkennt die Notwendigkeit der Klimaschutzmaßnahmen an. Wichtig ist jedoch, dass Europa den Blick auf die globale Wettbewerbsfähigkeit nicht verliert. Es besteht das Risiko, dass überregulierte Branchen in asiatische und nordamerikanische Märkte abwandern, was letztendlich auch dem Klimaschutz nicht dienlich wäre.
VOGT: Deutschland hat eine starke maritime Wirtschaft und sollte seine Vorreiterrolle in der EU nutzen, um einheitliche Umweltstandards voranzutreiben und Innovationen im Bereich umweltfreundlicher Technologien zu fördern. Dazu gehört insbesondere die Förderung von Forschung und die Einführung von nachhaltigen Technologien, die nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit stärken, sondern auch zur Klimawende beitragen.
KRAGE: Deutschland muss eine führende Rolle innerhalb der EU einnehmen, wenn es um die Förderung umweltfreundlicher Praktiken in der maritimen Wirtschaft und Logistik geht. Die Logistikbranche ist als eine der größten in Europa maßgeblich daran beteiligt, internationale Warenströme zu organisieren und umzusetzen. Vor diesem Hintergrund hat Deutschland nicht nur die Verpflichtung, sondern auch das Potenzial, bei der Entwicklung und Implementierung nachhaltiger Technologien und Praktiken Vorreiter zu sein.
LOGISTICS PILOT: Wo sehen Sie den größten Verbesserungsbedarf im umweltpolitischen Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern?
KRAGE: Dieser liegt in der Harmonisierung von Maßnahmen und der schnellen Umsetzung von Projekten. Für die Logistikbranche, insbesondere im maritimen Bereich, sind eine einheitliche Gesetzgebung und klare Regelungen essenziell, um langfristig planen zu können. Derzeit führen unterschiedliche Prioritäten und Ansätze in den Bundesländern zu Verzögerungen bei der Umsetzung von wichtigen Infrastrukturprojekten, die für die Nachhaltigkeit der Branche entscheidend sind. Besonders im Bereich der Hafenlogistik und bei der Förderung emissionsfreier Technologien sind eine engere Zusammenarbeit und ein klarer Rahmen notwendig, um bundesweit einheitliche Standards zu schaffen.
VOGT: Es mangelt an Kontinuität seitens des Bundes hinsichtlich der Finanzierung und Förderung von Projekten zur Dekarbonisierung der Wirtschaft und des Verkehrs. Die Zusammenstreichung der Mittel im Klima- und Transformationsfondsgesetz wirkt sich beispielsweise sehr negativ auf den Wasserstoffhochlauf im Verkehrssektor aus. Auch ist derzeit noch völlig unklar, auf welche Weise der Bund die dringend erforderlichen Projekte in den Häfen unterstützen will, die die nationale Klimawende erst ermöglichen. Auch die Nationale Hafenstrategie sorgt für Ernüchterung in den Ländern: Zwar wurden Ziele und Maßnahmen benannt, doch bleibt offen, wie deren Umsetzung finanziert werden soll. (cb)
„Für die Logistikbranche sind klare Regelungen essenziell.“
Mathias Krage Der Hannoveraner Spediteur Mathias Krage ist Präsident des Gesamtverbands Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) und und stand neun Jahre an der Spitze des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV).