Im Zuge ihrer Strategieplanung müssen sich Unternehmen immer stärker mit den Folgen des Klimawandels beschäftigen. Was bedeutet das für den Windenergieanlagenbauer Enercon?
Das hat auch eine politische Dimension, die das Geschäft von Enercon beeinflusst. „Die ambitionierten Vorgaben der Politik zum Erneuerbare-Energien-, Wind- und Onshore-Ausbau führen zur vermehrten Ausweisung neuer Flächen und zu Erleichterungen von Repowering. Dies wiederum sorgt für den Aufschwung der Windindustrie und bei uns zu Steigerungen beim Auftragseingang“, so Rehwald. „Zusätzlich ist es ein Thema für unsere Produktentwicklung: Gegebenenfalls ist die Konstruktion oder Konfiguration bestimmter Anlagentypen mittel- und langfristig anzupassen.“
Die dafür erforderlichen Daten erhält das Unternehmen von Dienstleistern, oder es erhebt sie – etwa Windrichtung, -stärke, Böenintensität, Niederschlag und Luftfeuchtigkeit – an den eigenen Anlagen selbst.Ebenso verfährt Ernercon bei Wind- und Wetterprognosen für neu geplante Windparkstandorte und arbeitet dann zusätzlich mit Simulationstools und -software, um die Auslegung der Windparks optimal an die Standortbedingungen anzupassen.
Extremwinde werden bereits bei Standardsicherheitsprüfungen berücksichtigt
Längst werden die Windparkplanungen vom Klimawandel beeinflusst, berichtet der Konzernsprecher. Beispielsweise werden die Extremwinde (Böen) im Rahmen von Standsicherheitsprüfungen in Norddeutschland heute höher angesetzt, als es in der Vergangenheit üblich war. „Dies ist eine Konsequenz aus der Zunahme von Extremwindereignissen“, unterstreicht Rehwald. Als Folge haben sich auch die Windzonen des Deutschen Instituts für Bautechnik DIBt verschoben. Die Grenze der Windzone 4 mit der höchsten Windgeschwindigkeit verläuft heute zum Beispiel weiter südlich als früher. Auch die Zertifizierer haben ihre Richtlinien in erforderlichenm Maß angepasst.
Neue Risiken für bestehende Anlagen aufgrund der Klimaveränderungen seien jedoch nicht hinzugekommen. „Die sind generell robust ausgelegt und verfügen über entsprechende Reserven“, so Rehwald. Außerdem sorgten Anlagenüberwachung und -steuerung dafür, dass sie bei Extremwetterlagen automatisch gedrosselt werden.
So sind alle Windenergieanlagen des Unternehmens standardmäßig mit einer Sturmregelung ausgestattet. „Bei zunehmendem Starkwind regelt diese die Anlage kontinuierlich ab, indem der Anstellwinkel der Rotorblätter zum Wind verringert wird. Dies geht bis zum vollständigen Herausdrehen aus dem Wind – die sogenannte ‚Fähnchenstellung‘, in der dort keinerlei Auftrieb an den Rotorblättern mehr erfolgt und die Anlage nur noch trudelt.“
Bei welcher Windstärke runtergeregelt wird, hängt vom Anlagentyp ab. „Für unser neues Topmodell ‚E-175 EP5‘ mit 6 bis 6,3 Megawatt Nennleistung beträgt die Abschaltgeschwindigkeit beispielsweise 25 Meter pro Sekunde“, erläutert Rehwald. „Die Extremwindgeschwindigkeit in Nabenhöhe – Drei-Sekunden-Böe – liegt bei diesem Anlagentyp bei 59,5 Metern pro Sekunde.“
Wie stark der Aufwand für die Service- und Projektierungsteams, etwa durch heftigere und häufigere Orkane sowie Starkwindereignisse, gestiegen ist, lässt sich nach Angaben des Unternehmens nicht beziffern. Fest steht aber, dass der Anstieg von Starkwindtagen keine Auswirkungen auf das Produktportfolio, zum Beispiel die Größe der Anlagen, hat. „Wir bieten unseren Kunden Produkte für alle Windstandorte an, das heißt für Starkwindstandorte, etwa auf den Mittelmeerinseln Griechenlands, für mittlere Windstandorte wie in Nord- und Mitteldeutschland sowie für Schwachwindstandorte in Süddeutschland“, so der Konzernsprecher. Dementsprechend groß sei das Spektrum an Produkten sowie Turmvarianten und Nabenhöhen.
Schwierige Wetterbedingungen sind eine Herausforderung
Klar ist aber auch: Aufgrund der Veränderungen des Klimas wird die Installationsplanung für die Aufbauteams komplexer. „Durch mehr Windtage während der Installationsphase müssen ‚Windfenster‘ mit geringem Wind beziehungsweise Flaute sehr effektiv genutzt werden, um den Einbau windanfälliger Komponenten wie Rotorblätter ohne Zeitverzug bewerkstelligen zu können“, erläutert der Konzernsprecher. Schließlich entstehen Kosten, wenn wetterbedingt keine Installationsarbeiten auf der Baustelle erfolgen können.
Bis zu welcher Windstärke welche Arbeit auf der Baustelle möglich ist, hängt von der Art der Arbeit und der eingesetzten Technologie, insbesondere der Leistungsfähigkeit der verfügbaren Krantechnik, ab. „In letzter Instanz entscheidet der verantwortliche Aufbauleiter vor Ort, ab welcher Windgeschwindigkeit Schluss ist“, berichtet Rehwald.
Enercon setzt hier auf den Einsatz neuer Technologien auf den Baustellen: „Bei der Rotorblattmontage kommt zum Beispiel ein neues Hebemittel zum Einsatz, das die Rotorblätter greift und während des Installationsvorgangs mithilfe zweier Propeller automatisch in Position hält“, so der Konzernsprecher. Die beiden Propeller können höhere Windgeschwindigkeiten ausgleichen und die Rotorblätter besser stabilisieren, als das bisher über die vom Boden aus geführten Führungsseile möglich war. Dies erlaubt eine Installation der Rotorblätter bei Windgeschwindigkeiten von bis zu zehn Metern pro Sekunde – bisher war in der Regel bei acht Meter pro Sekunde Schluss.
Die Klimaanpassung spielt überdies in der Nachhaltigkeitsstrategie als Teil der Unternehmensstrategie eine Rolle. Rehwald: „Wir arbeiten aktuell an dieser Strategie, weil der Klimawandel eine Realität ist. Unser Ziel ist es, nicht nur grüne Produkte zu entwickeln, sondern diese auch möglichst umwelt- und ressourcenschonend einzusetzen.“ (cb)
Fakten
Enercon
Gründung: 1984
Geschäftsfeld: Windenergieanlagen
mit Nennleistungen von 2.000 bis 7.000 Kilowatt
Installierte Gesamtleistung: über 62 Gigawatt
Hauptsitz: Aurich
Mitarbeiter: 13.000 weltweit