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Bestmöglicher Behelf

Der Brückencrash auf der Hunte in Elsfleth stellt eine enorme Herausforderung für die Hafenwirtschaft dar. Der Schiffsunfall hat aber auch gezeigt, was möglich ist, wenn alle Beteiligten und Betroffenen aus Wirtschaft und Politik gemeinsam an Lösungen arbeiten.

Fotos: DB AG/Tim Cappelmann, Vasilisa Mensing, J. Müller
Es war viertel nach eins in der Nacht, als am 25. Februar ein aus Oldenburg kommendes, 110 Meter langes Binnenmotorschiff gegen die Eisenbahndrehbrücke Elsfleth/Orth prallte. Dabei wurden nach Angaben der Deutschen Bahn nicht nur die Brücke an sich und der bewegliche Überbau, sondern auch die Gleis- und Oberleitungsanlage massiv beschädigt, sodass die Drehbrücke seitdem nicht mehr geöffnet werden kann.

Das hat erhebliche Auswirkungen auf den Verkehr. So wurde der Zugverkehr zwischen Elsfleth und Berne eingestellt, und auch die Schifffahrt ist stark betroffen. Die südliche Durchfahrt ist für alle Fahrzeuge gesperrt. Die nördliche Schifffahrtsdurchfahrt konnte bei geschlossener Brücke für die Durchfahrt zwar schnell wieder freigegeben werden, allerdings gibt es einige Beschränkungen. Die sogenannte Bergfahrt (flussaufwärts) ist zwar gestattet und die Talfahrt, also flussabwärts, in Abstimmung mit dem „Wahrschaudienst“, der Schiffsführer vor etwaigen Gefahren warnt, vor Ort zwar möglich. Allerdings reichen die derzeitigen Durchgangshöhen nur für Binnenschiffe. Höher gebaute Seeschiffe können die Brücke nicht passieren.

Betroffen sind aufgrund der fehlenden Bahnverbindung vor allem die Häfen Nordenham und Brake, die einen Großteil ihrer Hinterlandverkehre mit der Bahn transportieren, und wegen der ausbleibenden Seeschiffe und einer nur eingeschränkten tideabhängigen Erreichbarkeit für Binnenschiffe der Hafen Oldenburg.

Nordenham kann nur zum Teil auf die Straße verlagern

Für den Hafen Nordenham bedeutet dies, dass große Mengen, die eigentlich per Bahn transportiert werden, wegfallen. Besonders problematisch ist der Kohletransport, bei dem eine Verlagerung auf die Wasserstraße nicht in vollem Umfang machbar ist. Auch die Zinkhütte ist direkt vom Unfall betroffen: Üblicherweise werden hier monatlich 4.000 bis 5.000 Tonnen per Bahn transportiert. Hinzu kommen monatlich circa zwei Lieferungen über die Binnenwasserstraße.

Was die Wasserstraße betrifft, so kann das Problem laut dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium umfahren werden. Bahntransporte konnten teils auf die Straße verlagert werden. Die etwa 170 bis 180 Lkw-Bewegungen monatlich sind jedoch mit erhöhten Frachtraten verbunden. Angesichts der gegenwärtig hochfahrenden Zinkproduktion verschärft sich dadurch das Problem der fehlenden Brücke.

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Statt in den Direktzug wird Zellstoff für das europäische Hinterland in Brake aufs Binnenschiff geladen und zum J.-MÜLLER-Terminal nach Bremen umgelagert, um dort die Verladung per Bahn zu ermöglichen.

Brake setzt für den Umschlag auf Bremen

Ähnlich spürbar sind die Folgen an der Unterweser. „Alleine aus dem Hafen Brake werden jährlich knapp 2,5 Millionen Tonnen der verschiedensten Güter, die teilweise systemrelevant sind, mit der Bahn transportiert“, berichtet Michael Kurz, Bürgermeister von Brake. „Rund 43 Prozent der umgeschlagenen Seeverkehrsmengen erreichen beziehungsweise verlassen den Hafen auf der Schiene“, ergänzt Uwe Schiemann, Sprecher der J. MÜLLER AG. Betroffen sind dabei vor allem Transporte von Stahl, Zellulose und Holz sowie Getreide, Futtermittel und sonstigem Schüttgut.

Um diese Mengen weitestgehend zu halten, hat J. MÜLLER gemeinsam mit den Kunden individuelle Lösungen und Alternativen erarbeitet. Züge mit Getreide und Futtermittel werden beispielsweise am Terminal an der Cuxhavener Straße in Bremen entladen und von dort zur Getreideverkehrsanlage gebracht. „Auch für andere Güter wie Holz und Zellulose nutzen wir Bremen als Umschlagsplatz für den gebrochenen Verkehr von und nach Brake“, so Schiemann. Allerdings ist die Lösung für den Hafendienstleister mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden.

„Damit das funktioniert, wurden seit Langem unbenutzte Gleise kurzfristig reaktiviert und ein paar Loks nach Bremen transportiert“, berichtet Carsten Rogge, Leiter der Hafenbahn bei bremenports. „Dazu hat die Bahnmeisterei der bremenports-Abteilung Hafenbahn mit ihren Rahmenvertragspartnern das Gleis kurzfristig ertüchtigt.“ Darüber hinaus wurden J. Müller weitere nicht genutzte Gleise angeboten, zum Beispiel das Gleis 19 im Inlandshafen (Reitbrake). All das war innerhalb von zweieinhalb Tagen möglich. Schiemann bestätigt, dass die Abstimmung und Zusammenarbeit mit den Behörden und bremenports sehr konstruktiv gewesen sei und schnell und gut funktioniert habe.

Olaf Lies, Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister, Ute Plambeck, DB, und Stephan Siefken, Landrat Wesermarsch (v. l. n. r.), bei der Freigabe der Strecke über die neue Hilfsbrücke am 29. April.

Verlagerung auf Lkw auch in Oldenburg

Auch der Oldenburger Hafen im Zentrum der Weser-Ems-Region spürt als kombinierter See- und Binnenhafen nicht nur aufgrund der ausbleibenden Seeschiffe und der eingeschränkten tideabhängigen Erreichbarkeit für Binnenschiffe die Folgen des Brückencrashs.

„Davon sind jährlich circa 110 Seeschiffe und bei einer angenommenen Verlagerungsquote von rund 15 Prozent circa 600 Binnenschiffe betroffen“, so Nico Steudel, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Rhein-Umschlag und Vorstand der Oldenburger Hafenwirtschaftsgemeinschaft. „Das betrifft sowohl die Binnenschiffe mit dem Zielhafen Oldenburg als auch die sogenannten Durchfahrer, die von der Weser durch den Küstenkanal in die Ems beziehungsweise umgekehrt wechseln, insgesamt betrifft das rund 4.000 Binnenschiffsbewegungen pro Jahr.“

Sowohl bei den Seeschiffsverkehren als auch bei den Binnenschiffen werde es Schätzungen zufolge zu Verlagerungen kommen, und zwar im Wesentlichen auf die Straßen der Region. „Dabei kann man von rund 240 Lkw-Fahrten pro Seeschiff, gerechnet mit 3.000 Tonnen, und rund 120 Lkw-Fahrten pro Binnenschiff, gerechnet mit 1.500 Tonnen, ausgehen.“

Bei dem Schiffsunfall wurden die Brücke, der bewegliche Überbau sowie die Gleis- und Oberleitungsanlage erheblich beschädigt.

Gemeinsame Lösungsfindung

Reagiert wurde schnell: Bereits einen Tag nach dem Unfall hat das Wirtschaftsministerium Niedersachsen ein Treffen aller Beteiligten organisiert. „Es hat sich ausgezahlt, unmittelbar nach der Havarie alle Beteiligten koordinierend zusammenzubringen, um an die Beseitigung der Schäden zu gehen“, unterstreicht Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies. „Das funktioniert bisher ganz ausgezeichnet – nicht zuletzt auch,
da das Projekt auch bei der Bahn schnell zur Chefsache gemacht wurde.“

Schnell ging es auch mit der Behelfsbrücke, die nun seit Ende April im Betrieb ist. Allerdings ist sie nicht beweglich, lässt sich also nicht für die Schifffahrt öffnen. Nur Binnenschiffe, die niedrig genug sind, können tideabhängig passieren, größere Seeschiffe nicht. Zudem ist die Behelfsbrücke konstruktionsbedingt 30 Zentimeter niedriger als die bisherige Eisenbahnbrücke, sodass das Tidefenster für die Passage von Binnenschiffen von und nach Oldenburg weiter eingeschränkt ist.

Ein Zeitplan für den Neubau der beweglichen Brücke lag nach Angaben eines Bahnsprechers zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch nicht vor. Allerdings: „Der Neubau des drehbaren Bestandbauwerks aus dem Jahr 1927 befand sich ohnehin bereits in der Vorplanung. Ein beschleunigtes Verfahren wird derzeit geprüft, um den Baubeginn vorzuziehen.“ Hierzu liefen Gespräche zwischen allen Beteiligten aus Politik, Wirtschaft und der DB. Ursprünglich war dem Sprecher des Ministeriums zufolge eine Bauzeit von 2027 bis 2030 vorgesehen. Kürzer wäre für alle Betroffenen ein weiteres starkes Signal. (cb)

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