Die aktuelle Weltlage ist herausfordernd. Das spüren auch die Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Und manch einer munkelt hinter vorgehaltener Hand sogar, wir würden gewissermaßen auf einem Pulverfass sitzen. Fest steht aber: Nach den jüngsten Entwicklungen haben die Logistikexperten Erfahrungswerte gesammelt, die nun in ganz spezifischen Lösungsstrategien ihre Berücksichtigung finden.
Märkte sind „nur teilweise kompatibel“
Anfang September gründete Röhlig Logistics eine Niederlassung in der Schweiz und erweiterte damit sein globales Netzwerk. Organisatorisch ist die Schweizer Niederlassung bei der Deutschland-Organisation des Bremer Logistikunternehmens angegliedert, das insgesamt über 13 Büros in Deutschland und der Schweiz verfügt und seinen Kunden Dienstleistungen in den Bereichen Seefracht, Luftfracht, Projekt- und Kontraktlogistik anbietet. „Die D-A-CH-Region besitzt ein enormes Marktpotenzial, das wir aus Deutschland heraus in den letzten Jahren sukzessive auf- und ausgebaut haben“, so Dirk Schneider, Managing Director bei Röhlig Deutschland, der auch für die Geschäfte in der Schweiz verantwortlich ist. Dabei seien auf dem Seeweg Hamburg, Bremerhaven und Rotterdam, ebenso wie Wilhelmshaven, die wichtigsten Verkehrsknotenpunkte. Im Bereich Luftfracht agiert Röhlig über seinen eigenen Hub am Frankfurter Flughafen. Die neugestaltete Schweiz-Organisation unter der Leitung von Fiorella Orsetti nutzt überdies auch die Flughäfen in Zürich und Basel, um für lokale Kunden zeitkritische Sendungen schnellstmöglich abfertigen zu können.
In seiner Doppelfunktion hat Schneider deutliche Unterschiede zwischen Deutschland und der Alpenrepublik ausgemacht: „Die beiden Märkte sind keinesfalls identisch und nur teilweise kompatibel. Hierzulande fokussiert sich unser Geschäft beispielsweise auf die Bereiche Automotive, Chemie und Konsumgüter. In der Schweiz dominieren neben der Chemie, der Maschinenbau und der Pharmabereich.“ Darüber hinaus habe man im Warenaustausch mit der Schweiz mit anderen Zollabläufen zu tun, da das Land nicht zu den Mitgliedsstaaten der EU gehöre“, so Schneider.
Dienstleistungen im Bereich Luftfracht sind ein wichtiger Bestandteil der Leistungspalette von Röhlig Logistics.
Wenig natürliche Ressourcen
Ebenfalls in der österreichischen Hauptstadt befindet sich der Sitz des Start-ups Prewave, eines Spin-offs der Technischen Universität Wien. Als sogenannter Supply-Chain-Risiko-management-Anbieter (SCRM) hat das Unternehmen eine auf künstlicher Intelligenz basierende Plattform zur Analyse von Millionen öffentlich zugänglicher Onlinequellen entwickelt, die es erlaubt, Risikofaktoren wie Arbeiterunruhen, politische Unsicherheiten, finanzielle oder rechtliche Probleme oder die Auswirkungen des Coronavirus auszuwerten. Mit ihrer Hilfe können die Unternehmen ihre Lieferketten in Echtzeit überwachen und im Problemfall rechtzeitig reagieren. „Wir haben bereits rund 1.000 Kunden in der D-A-CH-Region, die diese Technologie nutzen – von Volkswagen und BMW über PWC und die Zurich Versicherung bis zum TÜV Süd und Dr. Oetker“, so Harald Nitschinger, Co-Founder und Managing Director von Prewave.
„Die D-A-CH-Region besitzt ein enormes Marktpotenzial.“
Dirk Schneider, Managing Director
bei Röhlig Deutschland
Auch vor diesem Hintergrund will Prewave seine Plattform zeitnah in die nächste Phase bringen und Lösungen schaffen, die den gesamten Risikolebenszyklus der Lieferketten abdecken. Dazu gehören beispielsweise Funktionen, die das Risiko der Erdgasabhängigkeit analysieren oder im Zuge des am 1. Januar 2023 in Kraft tretenden Lieferkettengesetzes mögliche Schwachstellen identifizieren und entsprechende Maßnahmen aufzeigen sollen.
„Wir wollen auf lange Sicht noch mehr Güter auf die Schiene verlagern.“
Claus Hansen, bremenports-Repräsentant in Wien
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Resiliente Lieferketten in herausfordernden Zeiten
Der internationale Logistikdienstleister Kühne+Nagel (K+N) ist mit über 13.000 Mitarbeitern und 129 Standorten in Deutschland präsent. Die Schwerpunkte des Unternehmens mit Sitz im schweizerischen Schindellegi liegen in der Bereichen See- und Luftfracht, Kontraktlogistik und Landverkehr. Über die angespannte Lage der vergangenen Monate sagt Holger Ketz, Vorsitzender der Geschäftsleitung von K+N in Deutschland: „Wochenlange covidbedingte Einschränkungen haben die Lieferketten weltweit unter Druck gesetzt. Diese allein schon komplexe Gemengelage hat sich durch den russischen Angriff auf die Ukraine weiter verstärkt.“ Die Auswirkungen seien bisher aber nur geringfügig gewesen, da Russland und die Ukraine vor dem Krieg weniger als zwei Prozent des gesamten Gruppenumsatzes ausgemacht hätten. „Mit der Schließung des russischen Luftraums mussten allerdings Frachtrouten zwischen Asien und Europa kurzfristig umdisponiert und maßgeschneiderte Transportleistungen mit zusätzlichem Aufwand gefunden werden. Das hatte und hat natürlich auch Einfluss auf unsere Logistik in der Region“, so Ketz.
„… das macht die D-A-CH-Region bei Naturkatastrophen, Pandemien oder sonstigen Vorkommnissen besonders verwundbar.“
Harald Nitschinger, Co-Founder und
Managing Director von Prewave
Um bestmöglich auf diese Entwicklung reagieren zu können, hat K+N eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen. „Wir orchestrieren unsere Logistikdienstleistungen nun verstärkt über alle Verkehrsträger. In Zeiten von Lieferengpässen ist vielen Kunden weniger wichtig, wie die Ware transportiert wird – Hauptsache, sie kommt rechtzeitig an“, so Ketz. „Dem begegnen wir unter anderem mit der Mutlimode-Quotierung auf unserer Onlinebuchungsplattform My KN. Zudem stellen wir unseren Luftfrachtkunden zum Jahresende zwei zusätzliche Frachtmaschinen des Typs 747 zur Verfügung, um die erhöhte Nachfrage zu befriedigen.“ Generell, so glaubt Ketz, sei aber trotz der angespannten Gesamtlage die Spitze des Eisbergs überwunden, sodass sich die Logistik und die Lieferketten auf einem, wenngleich langen Weg der Besserung befinden würden. (bre)
„In Zeiten von Lieferengpässen ist weniger wichtig, wie die Ware transportiert wird – Hauptsache, sie kommt rechtzeitig an.“
Holger Ketz, Vorsitzender der Geschäftsleitung
von K+N in Deutschland