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Mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten

Bei Geschäftsreisen in die Niederlande und nach Belgien sollte man vor allem drei Dinge im Gepäck haben – eine Portion Respekt, Geschichtswissen und Englischkenntnisse. Ebenso gilt es, zu differenzieren und im Hinterkopf zu haben, dass es nicht den Niederländer oder den Belgier gibt.

Fotos: IMB, PIXABAY/COMMANDER05, W4MEDIA
Welche Sprache spreche ich eigentlich in Belgien und den Niederlanden, um auf geschäftlichem Terrain zu punkten? Schon allein die Beantwortung dieser Frage zeigt, wie unterschiedlich die beiden Beneluxstaaten sind, die wir allzu oft einfachheitshalber zusammenfassen. „Beginnen Sie jegliche Kommunikation in den Niederlanden auf Englisch, auch wenn einige Menschen dort Deutsch sprechen. Aber setzen Sie dies bitte nicht voraus“, rät Yvonne Brockhaus, die als interkulturelle Trainerin unter anderem für die Interkulturelle Management Beratung (IMB) in Tübingen tätig ist. Und sie weiß, wovon sie spricht. Denn Brockhaus ist im deutsch-niederländisch-belgischen Grenzgebiet aufgewachsen, studierte Psychologie mit Regionalwissenschaften Niederlande-Belgien in Amsterdam und arbeitete vier Jahre lang in Den Haag als Personalvermittlerin der Auslandshandelskammer. „Im Falle von Belgien ist das komplizierter. An der Küste empfiehlt es sich, Englisch zu sprechen, in der Wallonie und rund um Brüssel punktet man mit Französisch. Und in Ostbelgien gibt es sogar Belgier mit Muttersprache Deutsch“, so Brockhaus.

Auch bei ihren weiteren Ausführungen legt die Personalfachfrau mit 15 Jahren Berufserfahrung in fünf Ländern Wert darauf zu betonen, dass mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen beiden Nationen bestehen. So denkt man dort beispielsweise stärker lokal als national „Die Menschen fühlen sich eher als Limburger denn Niederländer beziehungsweise Flame statt Belgier“, erklärt sie. Das habe auch Auswirkungen auf die Verhandlungskultur: „In Belgien hat man es zumeist mit höflich-zurückhaltenden Geschäftspartnern zu tun, die mehr Wert auf eine langfristige Beziehung als auf einen schnellen Abschluss legen. Geschäftsleute in den Niederlanden entpuppen sich indes häufig nach dem ersten ‚kopje koffie‘ zum Zwecke des zwischenmenschlichen Kennenlernens als gut informierte, harte Verhandlungspartner. Da merkt man die jahrhundertelangen Erfolge des Landes als große Schifffahrts- und Handelsnation“, so Brockhaus. Nicht nur vor diesem geschichtlichen Hintergrund empfiehlt sie allen Deutschen, den Niederländern auf respektvoller Augenhöhe gegenüberzutreten. Eine ebenso hohe Wertschätzung hat Brockhaus auch für die Belgier. Sie seien eine Art „Hidden Champion“, unter anderem mit einer der höchsten Produktivitätsraten in Europa. „Am erfolgreichsten werden Sie Geschäfte machen, wenn Sie vermeiden, als großes Land auf die kleineren Nachbarn herabzuschauen! Befassen Sie sich vor Ihrem Besuch in Grundzügen mit der Geschichte beider Nationen und googeln Sie zum Beispiel Stichworte wie niederländische VOC, Goldenes Zeitalter oder Brügge“, lautet ihr Rat.

Compliance ist ein großes Thema

Bei der Frage nach dem angemessenen Businessoutfit ist ebenfalls Differenzierung angesagt. So sind in der Wallonie Anzug und Kostüm weiterhin gern gesehen, während sich Niederländer und Flamen oft legerer kleiden: „Jeans und Hemd, teils mit Sakko, sind Usus, weshalb ich dort auch seit Jahren keine Krawatte mehr gesehen habe“, so Brockhaus. Ähnlich verhält es sich mit dem Du, zu dem im Lande der Windmühlen meist schnell gewechselt wird – und erst sukzessive bei dessen südlichem Nachbarn. Was beide Nationen vereint, ist die Tatsache, dass sie weniger Wert auf Titel und Hierarchien legen, als dies in Deutschland der Fall ist. „Stichwort Poldermentalität – dort ist eher Understatement als bei uns angesagt, wozu auch gehört, dass der Doktortitel bei der persönlichen Vorstellung besser unter den Tisch fallen sollte“, regt Brockhaus an. Ein weiterer Tipp der Expertin: „Fragen Sie Ihre Geschäftspartner ruhig, mit welchem Geschenk oder Mitbringsel aus Deutschland man ihnen eine Freude bereiten kann. Denn sowohl in Belgien als auch in den Niederlanden ist Compliance ein großes Thema.“ Eine Einladung zu einem gemeinsamen Essen auszusprechen, sei eine gute Idee, da es die Vertreter beider Nationalitäten schätzen, gut zu speisen. Außerdem verstärke eine gemeinsame Mahlzeit die persönliche Verbindung.

Niederländer, nicht Holländer!

Heikle Themen, die man kennen, aber auf keinen Fall selbst ansprechen sollte, sind die beiden Weltkriege, Kritik am Königshaus oder dem Gesundheitssystem sowie die Differenzen zwischen Flamen und Wallonen. Aber auch das Thema Fußball kann nach Ansicht von Brockhaus zu ungeplanten Emotionen führen. „Schon als Kind habe ich den deutsch-niederländischen Konkurrenzkampf um das runde Leder hautnah miterlebt, der wohl seinen Höhepunkt in der Spuckattacke bei der WM 1990 fand. Und auch heute gibt es auf beiden Seiten noch Heißsporne. Da sind die Belgier vollkommen anders. Sie stehen ganz oben in der FIFA-Fußball-Weltrangliste, aber kehren dies – wie fast alles – mit großer Bescheidenheit zumeist unter den Teppich.“ Eines der häufigsten Fettnäpfchen, in das Deutsche ihrer Erfahrung nach treten, sei es, von Holländern statt von Niederländern zu sprechen. „Das Land heißt offiziell Königreich der Niederlande und besteht aus zwölf Provinzen – zwei davon sind Noord-Holland und Zuid-Holland. Diese Verwechslung kann sich für manchen Niederländer anfühlen, als wenn man Norddeutsche als Bayern oder Schwaben bezeichnete“, so Brockhaus augenzwinkernd.(bre)

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Yvonne Brockhaus, interkulturelle Trainerin für die Interkulturelle Management Beratung (IMB)

„Nicht als großes Land auf die kleinen Nachbarn schauen!“

Yvonne Brockhaus, interkulturelle Trainerin für die Interkulturelle Management Beratung (IMB)