Keine 800 Kilometer Luftlinie trennen die Hauptstädte Abu Dhabi und Riad. Doch in vielerlei Hinsicht liegen zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Saudi-Arabien Welten. Das spiegelt sich auch auf der Businessebene wider.
Fotos: PIXELFIT, TO SHIPPING, PRIVAT
Als Managing Director von Transport Overseas Shipping ist Christian Weber seit vielen Jahren im arabischen Raum aktiv und mehrmals im Jahr in Dubai, wo sein als Schiffsmakler und Linienagentur tätiges Unternehmen seit 2019 über ein eigenes Büro verfügt. Dementsprechend gut kennt sich Weber in den Golfstaaten aus und sagt: „Die Vereinigten Arabischen Emirate werden oftmals mit SaudiArabien in einen Topf geworfen. Doch wer genau hinschaut, wird feststellen, dass es sich um komplett unterschiedliche Länder mit völlig anderen Geschäftskulturen handelt. Dabei sind die Emirate deutlich westlicher eingestellt als ihre westlichen Nachbarn.“ Das kann auch Jörg Seifert bestätigen, der seit 1997 als Wirtschaftsanwalt in den VAE arbeitet und die europäische Abteilung der lokalen Rechtsanwaltskanzlei Al Sharif Advocates & Legal Consultants leitet. Seifert betont, dass sich die Emirate in jüngster Zeit so schnell weiterentwickelt hätten, dass sich zahlreiche Businessratgeber bereits wieder überholt haben. So empfindet er beispielsweise die Betonung der Bedeutung von Designerlabels beim Businessoutfit in vielen VAE-„Knigge“ als nicht mehr angemessen: „Natürlich machen auch dort Kleider Leute. Aber solange man nicht mit einem alten abgetragenen Konfirmandenanzug, sondern mit normalem Anzug und Krawatte erscheint, ist alles im grünen Bereich.“ Er rät überdies, bei der Begrüßung die Hand des Gegenübers nicht so kräftig zu drücken wie in Deutschland und darauf zu achten, die Visitenkarte mit der rechten Hand zu übergeben, da die Linke in der arabischen Welt als unrein gilt. Gleichzeitig verweist er darauf, dass sich der Stellenwert des Handschlags seit Beginn der Coronapandemie deutlich verringert habe.
Unterschiedliche Messlatten
Auch was die Aspekte Geduld und Fingerspitzengefühl sowie die Wichtigkeit von „persönlichen Türöffnern“ betrifft, berichten beide Experten über ähnliche VAE-Erfahrungen. So empfiehlt Weber, bei Verhandlungen und Terminverschiebungen stets Ruhe und Gelassenheit zu bewahren. „Ungeduld gilt in den Emiraten als Zeichen der Schwäche“, so Weber. Seifert betont zudem die unterschiedlichen Messlatten, die dort in Sachen Timing angelegt werden: „Sollten Sie zu einem Meeting nur zwei Minuten zu spät kommen, kann es sein, dass die Sekretärin sie mit dem Verweis auf ihre Unpünktlichkeit wieder nach Hause schickt, während die Araber für sich durchaus Verspätungen von mehr als einer halben Stunde in Anspruch nehmen.“ Weber rät darüber hinaus, sich so flexibel wie möglich auf potenzielle Gesprächspartner einzustellen und die Emirate keinesfalls als homogenes Gebilde zu betrachten: „Emirat ist nicht gleich Emirat. Auch hier bestehen erhebliche Unterschiede. Selbst in Dubai kann man auf vollkommen unterschiedliche Geschäftspartner stoßen. Denn von den rund zwei Millionen Einwohnern sind rund 1,6 Millionen Ausländer aus allen Teilen der Welt – und nur gerade einmal 400.000 bis 500.000 Emiratis.“
Unternehmen, die die Absicht haben, neu in diesen Markt einzutreten, empfiehlt Seifert, den Weg über persönliche Kontakte und Ansprechpartner in der Region, beispielsweise über Außenhandelskammern oder Agenten. Weber und seine Kollegen haben sich vor diesem Hintergrund für die Gründung eines eigenen Büros entschieden, um mehrmals im Jahr und über einen längeren Zeitraum dort Gesicht zu zeigen. „Ein paar Telefonate und E-Mails reichen nicht aus, um zu potenziellen Partnern Vertrauen aufzubauen. Das erfordert vielmehr eine Reihe von persönlichen Gesprächen, zumal unsere deutsche Mentalität, mit der Tür ins Haus zu fallen, dort überhaupt nicht gefragt ist“, so Weber. Auch er kann bestätigen, dass ein regionaler Fürsprecher nicht von Schaden sein kann. Vor allem, wenn es darum geht, auf einer höheren Geschäftspartnerebene anklopfen zu können.
Förderung der Gleichstellung
Besonders angetan sind beide auch von der wachsenden Bedeutung der Frau in den Emiraten. „Hier hat es große Schritte in Sachen Gleichberechtigung gegeben“, konstatiert Seifert. Dass es sich dabei nicht nur um ein subjektives Empfinden handelt, spiegelt sich im jährlichen Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums (WEF) wider, der die VAE als „führend bei der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter im Nahen Osten“ ausweist. Und auch dem Forbes-Magazin zufolge sind Frauen aus den VAE in der Liste der einflussreichen Geschäftsfrauen im Jahr 2020 „mit 23 Einträgen die am häufigsten vertretene Nationalität“.
Blumen für die Dame des Hauses stehen allerdings nicht ganz oben auf der Liste der zu empfehlenden Gastgeschenke für die VAE. „Am besten bringt man etwas aus der Region mit, aus der man kommt. Es müssen ja keine Kuckucksuhren made in Germany sein“, sagt Seifert mit einem leichten Schmunzeln. Auch deutscher Wein oder hierzulande produzierte Pralinen mit Alkohol seien keine guten Idee, ebenso wenig wie Produkte, die Schweinefleisch enthalten, da beides dem dortigen Alkoholverbot beziehungsweise der „reinen“ islamischen Speisezubereitung („halal“) widerspricht. „Wir bringen unseren Geschäftspartnern gerne Geschenke mit den Bremer Stadtmusikanten mit. Vor allem Kinderbücher, die die Geschichte der vier Stadtmusikanten erzählen, kamen bisher sehr gut an. Denn die Emiratis schätzen die Familie und insbesondere ihre Kinder, die als wichtige Eckpfeiler der Zukunft gelten“, so Weber. Diese Geschenke würden zudem eine gute Möglichkeit bieten, Deutschland, Bremen und sich selbst besser vorzustellen – und damit Anknüpfungspunkte für lockere Gespräche jenseits der Businessinhalte zu finden. Vor diesem Hintergrund hat er noch eine weitere Besonderheit ausgemacht, die bereits vielfach zu interessantem Small Talk geführt habe: „Die Emiratis lieben Gespräche über schnelle Autos – und über unsere Möglichkeit, in Deutschland mit hoher Geschwindigkeit über die Autobahn brettern zu können. Schließlich liegt dort die erlaubte Höchstgeschwindigkeit bei 130 km/h.“ (bre)
„Die Emiratis lieben Gespräche über schnelle Autos.“
Christian Weber, Managing Director bei Transport Overseas Shipping.
„Es hat große Schritte in Sachen Gleichberechtigung gegeben.“
Jörg Seifert, Wirtschaftsanwalt bei
Al Sharif Advocates & Legal Consultants.
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