Bremerhaven ist einer der wichtigsten RoRo-Häfen des Kontinents. Für die Reederei Wallenius Wilhelmsen befindet sich hier nicht nur ein wichtiger Knotenpunkt für die Dienste nach Nordamerika, sondern auch der Equipment-Hub für ganz Europa.
Fotos: Georgia Port Authority, Mund + Bruns, Wallenius Wilhelmsen
Die Beziehung zwischen der Reederei und dem Hafen beginnt, als in Deutschland immer mehr Autos vom Band rollen. Da Pkw, made in Germany, in der ganzen Welt gefragt sind, nimmt in den 1950er-Jahren die Nachfrage nach Seetransporten stark zu. Auch die norwegische Reederei Wilhelmsen und ihr aus Schweden stammender Wettbewerber Wallenius steuern immer öfter Bremerhaven an. Zunächst werden die Pkw noch mithilfe des Bordkrans an Deck gehievt. Allerdings ist die Lademenge hierbei von einigen 100 bis maximal 1.000 Fahrzeugen begrenzt. Erst mit den in den 1970er-Jahren aufkommenden RoRo-Schiffen steigt die Kapazität auf etwa 5.000 Einheiten. Entsprechend wächst auch die Bedeutung von Bremerhaven als Export-Hub für die deutsche Automobilwirtschaft.
Zugleich entwickelt sich das 1999 aus der Fusion der beiden Reedereien hervorgegangene Unternehmen Wallenius Wilhelmsen zu einem Marktführer für Autotransporte auf dem Seeweg. Inzwischen arbeiten hier weltweit 9.400 Mitarbeiter und verladen 4,5 Millionen Einheiten pro Jahr.
Mit den Automengen wachsen auch die Schiffsgrößen. Während die Kapazitätsgrenze der RoRo-Frachter vor einigen Jahren noch bei etwa 4.000 bis 6.000 CEU (Car Equivalent Unit) lag, sind es inzwischen rund 8.000 CEU. „Allerdings sind das heute keine reinen Autoschiffe mehr“, erläutert Axel Bantel, Geschäftsführer von Wallenius Wilhelmsen Ocean in Deutschland. „An Bord haben wir neben dem rollenden auch statisches Gut, das mit Trailern und anderen speziell entwickelten Ladehilfsmitteln über die Rampen an Bord gerollt wird.“ Nach wie vor zählen allerdings die deutschen Automobilhersteller zu den wichtigsten Großkunden der Reederei. Bei den Ladungsströmen gab es jedoch erhebliche Veränderungen: „In den vergangenen 10 bis 15 Jahren haben die deutschen Hersteller zunehmend Werke in Übersee gebaut“, berichtet Bantel. „Seitdem hat Bremerhaven auch als Importhafen an Bedeutung gewonnen.“
Neben den traditionellen Importen aus Fernost stammt ein immer größer werdender Ladungsanteil aus den USA: „Viele Automobilunternehmen sind näher an die wichtigen Märkte in den USA gerückt, um dort gefragte Modelle wie SUVs zu produzieren. Seit das Interesse in Europa gestiegen ist, werden sie importiert“, so der Geschäftsführer. Dabei komme allen von der Reederei angelaufenen Häfen in Nordamerika eine gleichermaßen hohe Bedeutung zu – von Halifax in Kanada über Baltimore und New York bis in den Golf von Mexiko und durch den Panamakanal. In Manzanillo in Panama befindet sich der größte Transhipment-Hub für Südamerika, von dem Feederdienste und direkte Verbindungen zur US-amerikanischen Westküste angeboten werden. „Wir sind die einzige Reederei, die alle Wirtschaftsregionen in Nordamerika aus Europa direkt bedient“, hebt Bantel hervor. „Unsere Kunden beliefern den amerikanischen Markt in New York ebenso wie in Kalifornien und am Golf, wohin insbesondere Infrastrukturequipment transportiert wird.“ Zwölf Häfen sind es insgesamt, die Wallenius Wilhelmsen in Nordamerika derzeit anläuft. 14 Abfahrten gibt es im Normalfall pro Monat zwischen Europa und Nordamerika, wobei Bremerhaven der erste Hafen ist. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 124.000 Autos in die Region Nordatlantik exportiert, beim Import waren es 92.673.
Fakten
Wallenius Wilhelmsen
1999: Fusion zwischen den Reedereien Wilhelmsen aus Norwegen (gegründet 1861) und Wallenius aus Schweden (1934 gegründet)
2017: Zusammenschluss zu Wallenius Wilhelmsen Logistics (WWL) unter Einbeziehung von EUKOR, WWL, American Roll-on Roll-off Carrier (ARC) sowie den Schiffen von Wilhelmsen und Wallenius
2018: Umbenennung der Gruppe in Wallenius Wilhelmsen, während WWL zu Wallenius Wilhelmsen Ocean und Wallenius Wilhelmsen Solutions restrukturiert wird. EUKOR and ARC werden Teil der Gruppe, operieren aber unter separatem Namen.
Hauptsitz: Lysaker bei Oslo
Mitarbeiter: 9.400 Mitarbeiter in 29 Ländern
Seetransport: 4,5 Millionen Einheiten pro Jahr an 11 Terminals
Umschlag Bremerhaven 2019: 865.985 Einheiten
Die Coronakrise prägt allerdings auch die Entwicklung der Volumina im In- und Export mit Nordamerika. „Im April und Mai hatten in den USA und in Europa viele Werke die Pkw-Produktion heruntergefahren“, so Bantel. Zudem sei auch die Nachfrage insgesamt geringer gewesen. „Im Vergleich zum Normalvolumen lagen wir insgesamt bei 40 Prozent.“ Zwar konnte die Reederei alle Märkte weiter bedienen, allerdings in einer stark reduzierten Frequenz. Die grundsätzlich vorherrschende Unpaarigkeit von Ladung zwischen den USA und Europa habe sich durch die Pandemie noch verschärft. „Stückgut ist fast ausschließlich für den Export aus Deutschland bestimmt, da gibt es kaum Import“, betont Bantels Kollege Carsten Wendt, Senior Manager High and Heavy and Breakbulk Sales Germany. Verändert hat sich auch der Ladungsmix im Export: „Wir haben weniger Pkws und mehr High-and-Heavy-Ladung sowie Breakbulk“, hebt Bantel hervor.
Spezialisten für Breakbulk und Automobilumschlag
Genau für das Handling solcher Ladung gibt es viel Erfahrung in Bremerhaven. „Wir haben am Standort qualifiziertes Personal und spezialisierte Unternehmen wie Umschlags- und Verpackungsbetriebe sowie Stauereien“, sagt Wendt. „Breakbulk kann nicht jeder.“ Auch deshalb ist Bremerhaven mit seiner umfangreichen Ladungsbasis einer der größten Breakbulkhäfen weltweit. Entsprechend gut ist die Ausstattung mit den dafür eingesetzten Mafi-Trailern: „In Bremerhaven werden viele davon gelagert und gewartet“, berichtet Wendt.
Stark ist der Standort außerdem beim Automobilumschlag: Neben Southampton und Zeebrügge belegt Bremerhaven einen zentralen Platz im nordeuropäischen Netzwerk der Wallenius-Wilhelmsen-Gruppe. Der Hafen an der Weser punktet insbesondere mit seiner Infrastruktur für rollende Ladung: „Der Standort verfügt über Flächen für 100.000 Ein-
heiten, davon 50.000 überdacht“, berichtet Frank Grunau, Geschäftsführer des Unternehmens RoRo Stevedores in Bremerhaven mit derzeit 100 Mitarbeitern. „Für High and Heavy sind Staumöglichkeiten auf 300.000 Quadratmeter Fläche im Freien und 20.000 geschützt vorhanden.“ Außerdem könne man mit jeweils fünf RoRo-Liegeplätzen mit einem Tiefgang von elf Metern im Nord- und im Kaiserhafen aufwarten. Und nicht zuletzt sei Bremerhaven für den Reeder ein wichtiger Platz für Ersatzteile, Reparaturen und andere technische Leistungen.
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Sowohl am Standort Bremerhaven als auch bei den Aktivitäten der Reederei nimmt die Bedeutung des Umweltschutzes stetig zu. So ist Wallenius Wilhelmsen seit 2019 Mitglied der Getting to Zero 2030 Coalition – einer Vereinigung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, ein Null-Emissions-Schiff bis 2030 auf den Markt zu bringen. Außerdem arbeitet die Reederei gemeinsam mit Kunden und Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft daran, kohlenstoffneutrale Biokraftstoffe aus nachhaltiger Herstellung zu fördern. Gemeinsam mit Wallenius Marine hat sich die Gruppe beispielsweise das Ziel gesetzt, das erste mit Windkraft angetriebene RoRo-Überseeschiff bis 2022 in Dienst zu stellen. In Bremerhaven wird dies besonders willkommen sein, da der Hafen bei der Klimaneutralität auch künftig eine Spitzenposition in Europa einnehmen möchte. (cb)
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